Anzeige

Liebe Gerda, Lieber DFV

Ich bin mittlerweile seit fast 25 Jahren mit diesem Sport verbunden, auch wenn ich derzeit nicht mehr aktiv dabei bin. Von Anfang an hat mich begeistert, dass auf dem Sprungplatz alle Menschen gleich behandelt wurden – unabhängig von Herkunft, sozialem, ethnischem oder gesellschaftlichem Hintergrund, Geschlecht oder körperlichen Einschränkungen. Es zählte lediglich die gemeinsame Begeisterung, ein gemeinsames Ziel und vor allem viel Freude miteinander. Ein Tag auf dem Sprungplatz fühlte sich an wie ein Tag in einer anderen Welt. Übergriffe habe ich nie erlebt, stattdessen viel Respekt und zahlreiche schöne Momente. Aus diesen gemeinsamen Erfahrungen sind Freundschaften entstanden, die weit über den Sport hinaus Bestand haben. Auch bei Unstimmigkeiten fanden sich stets unkomplizierte Lösungen, ohne dass Konflikte unnötig dramatisiert wurden.

Natürlich unterliegen unsere Kultur und unsere Werte einem stetigen Wandel, und es ist wichtig, sich diesen Veränderungen anzupassen. Viele Dinge, die vor 20 Jahren als normal galten, sind heute nicht mehr akzeptabel – und das ist völlig in Ordnung. Ein gutes Beispiel dafür ist der Film Der Schuh des Manitu von Bully Herbig: Damals fanden ihn viele unterhaltsam, doch heutzutage würde er in dieser Form wohl nicht mehr gedreht werden. Das zeigt, wie sich unsere Wertvorstellungen verändert haben, und das ist ein positiver Prozess.

Allerdings sollte Anpassung ein gegenseitiger Weg sein. Menschen müssen die Möglichkeit bekommen, sich zu entwickeln, anstatt von heute auf morgen mit einem neuen Standard konfrontiert zu werden. Eine vorbehaltlose Verurteilung von Dingen, die früher akzeptiert waren, ohne den Kontext zu hinterfragen, empfinde ich als mangelnde Toleranz. Leider beobachte ich diese Entwicklung zunehmend in unserem Sport. Statt Offenheit und Dialog herrschen Vorverurteilungen und Intoleranz. Es wird mehr übereinander gesprochen als miteinander, und Urteile werden oft gefällt, ohne die Hintergründe zu kennen. Diese Veränderung hat mich dazu bewogen, aus dem Verband auszutreten, da ich mich mit diesen Werten nicht mehr identifizieren kann.

Ein weiterer Punkt: Wenn wir über Toleranz und Diskriminierung sprechen, warum lautet der Titel des Themas „Herrenwitze“? Das impliziert, dass Diskriminierung vor allem von männlichen Sportkollegen ausgeht, was durch die genannten Beispiele verstärkt wird. Aber ist das wirklich so? Ganz ehrlich?

Abschließend möchte ich betonen, dass dieses Thema von großer Bedeutung ist – nicht nur für unseren Sport, sondern generell. Ich würde mir jedoch wünschen, dass wir es professionell und mit mehr Toleranz angehen.

Mit sportlichen Grüssen

Kerstin Weihe

0 Shares

Categories

Anzeige