…Das füg auch keinem Gurtzeug zu…
Achtung, dieser Artikel kann Spuren von Satire enthalten, gegendert wird im Geiste, der geneigte Leser ist aufgerufen, nach Belieben ein *innen oder *außen einzufügen 😉
Eigentlich kann man sein Gurtzeug mit einem guten Partner vergleichen: Niemals ein böses Wort, immer zum Kuscheln bereit, möchte nicht zum Essen eingeladen werden, schnarcht nicht und meckert auch nicht, wenn mal ein Dritter mit im Bett liegt (Satire! Siehe oben).
Gut, dann bleiben wir bei diesem Vergleich und ich lade Euch ein, Euren Partner an die Hand zu nehmen: Lauft mit ihm (ihr, es) auf die Wiese und zieht ihn mal richtig durch den Dreck. Dreht ihn, wendet ihn, dass er mal richtig dreckig wird. Anschließend entschuldigt Ihr Euch natürlich und beginnt, mit einer Bürste Euren nicht mehr ganz so begeisterten Partner sauber zu machen. Ihr müsst schon richtig schrubben, dass da was passiert. Und dranbleiben, auch wenn er sich wehrt. Und je länger Ihr schrubbt, umso roter wird das Ganze. Sauber eher weniger.
Unser in der Gurtzeugtechnik verwendetes Cordura-Gewebe ist ein echtes Wundermaterial. Sehr widerstandsfähig, wenig Abrieb, gute Temperatureigenschaften, leicht angerauhte Struktur wegen Griffigkeit usw. … Ist es denn wirklich eine gute Idee, dieses Nylongewebe „stumpfisttrumpf“ mit der berühmten „Bürste der Schande“ zu bearbeiten? Ähnlich der menschlichen Haut gibt es Grenzen und etwas warmes Wasser und ein Tuch führen in beiden Fällen zu mehr Erfolg. Und zu mehr Langlebigkeit. Und es schadet auch nicht, wenn das Gurtzeug bis zur nächsten Inspektion ein wenig dreckig bleibt und dann fachgerecht gereinigt wird.
Nachdem Eure Partnerschaft eine derartige Behandlung überstanden hat, dürft Ihr noch einen Schritt weitergehen. Nehmt Euren Schatz, legt ihn (denkt an das …*) auf den Teppich und zieht ihn an den Ohren fünf Meter über den Flur (Spoiler: Heut abend gibt es keine Extras).
Euer Gurtzeug schreit nicht, es wehrt sich auch nicht, aber trotzdem ist es nicht die feine englische Art, unabhängig von Riserloops, die dabei aufscheuern, AADs, die sich statisch aufladen (bei Airtec hat man das Problem erkannt und gelöst, bei den andren Herstellern bin ich mir nicht sicher), Gurte, die beim Schleifen über Gebühr gestresst werden usw.
Ein Tag am Meer kann sehr romantisch sein. Nicht in unserem Fall, wir wollen ja was testen. Also fixiert Euren Partner in der Sonne und wartet mal ne Stunde ab. Erste Sichtprüfung: Eure Gurtzeugfarben verblassen, Euer Partner eher nicht, der färbt sich um. Und es geht ihm auch nicht wirklich gut. Eurem Gurtzeug auch nicht. UV-Bestrahlung ist für die bei uns verwendeten Materialen ein absolutes NoGo. Künstliche rapide Alterung (passt dann auch auf den Partner), weit geringere Widerstandsfähigkeit bis hin zur Luftuntüchtigkeit können die Folge sein.
Gleiches gilt für Salzwasser. Wenn wir im Meer waren, dann duschen wir uns das Salz raus. Ansonsten wird’s unangenehm, erst recht an Stellen, wo niemals die Sonne hinscheint. Salzwasser trocknet, die Salzkristalle setzen sich im Stoff ab und wer diese schon einmal unter dem Mikroskop gesehen hat, weiß, dass diese extremst scharfkantig sind. DAS ist der Grund, warum man bereits in der Groundschool sagt, nach Salzwasserkontakt sofort und ausreichend mit Süßwasser zu spülen.
By the way, Sand im Getriebe ist auch etwas, was weder für den einen noch für das andere von Vorteil ist.
Es gibt diesen alten Witz: Was ist besser, ein Partner oder ein Hund? Sperrt beide ne Stunde ins Auto und öffnet dann die Tür. Wer freut sich mehr, Euch zu sehen?
Ich hatte Schirme bei mir, die im Hochsommer zwei Stunden im Kofferraum lagen. Die Leinen waren verklebt, der Schirm so nicht mehr zu gebrauchen. Nylon, egal wie es verarbeitet ist, verändert seine Eigenschaften ab ca. 50 Grad Celsius. Der Partner übrigens auch.
Jetzt wird’s lecker: Gerade bei Tandemgurtzeugen kommt es gerne vor, dass den geschätzten Passagieren gerade am Schirm noch mal ihr Frühstück durch den Kopf geht. Mal abgesehen von der mühsam zurückgehaltenen Begeisterung dieser Überraschung seitens des Tandemmasters ist es grob gesagt Säure, die da auf Gurte und Cordura niederregnet. Ich meine, kommen wir zurück zu Eurem Partner, der schon so viel ausgehalten hat, dass Ihr auch … Nein, lasst es 🙂 Säure lässt sich nicht nur durch etwas Wasser entfernen. Man braucht keine speziellen Mittel, Gallseife neutralisiert das Ganze, aber die Reinigung muss sofort und unverzüglich erfolgen!!!
Ähnliches gilt übrigens mit sonstigen Flüssigkeiten, die Euch im Gebrauch begegnen (hört auf zu grinsen). Wie oft steht in der Packhalle ne Cola, da ist ein Ölfleck vom Flieger, vor kurzem hatten wir ein System voll mit Sonnencreme usw. Es muss nicht immer eine Packmatte sein, ein T-Shirt (gerne das Eures Partners) oder eine Jacke deckt Euer Gurtzeug ab und bewahrt es vor erstem Schaden. Und um das Niveau dieses Artikels so niedrig zu halten, hier noch der Tipp, eiweißhaltige Substanzen immer mit kaltem Wasser auszuwaschen 🙂
Mir ist natürlich klar, dass Ihr alle sehr wohl wisst, wie Ihr mit Eurem Gurtzeug verfahren sollt. Oder mit Eurem Partner. Trotzdem erleben wir in unserer Werkstatt nahezu täglich, dass zumindest bei den Fallschirmen dann doch einiges an Nachholbedarf vorhanden ist. Also nehmt mir den ironisch in die Höhe gestreckten Zeigefinger nicht übel. Und zur ständigen Erinnerung sei mir auch der etwas hinkende Vergleich in Euer Privatleben erlaubt.
Verbunden mit dem innigen Wunsch, dass Ihr beide, Euer Gurtzeug und erst recht Euren Partner, immer mit dem gehörigen Maß an Zärtlichkeit und Respekt behandelt, wünsche ich Euch bereits jetzt einen schönen Saisonanfang, bleibt sicher da draußen und nehmt Euch auch mal bei schönem Wetter Zeit für Eure bessere Hälfte, der/die/das trotz der vorangegangenen Tests immer noch bei Euch ist 🙂
Euer Raphael Schlegel