Ja doch, eigentlich (wir erinnern uns, eigentlich ist eigentlich kein Wort) wollte ich mich ja wieder öfter melden, in meiner üblichen großspurigen Art, die Ihr so sehr liebt. Oder auch nicht 🙂 Aber der Kopf war leer, die Augen trüb, der Terminkalender voll. Und natürlich gelob ich wie immer Besserung (wenn meine Frau das liest, kriegt sie nen Lachanfall).
Da bei mir sehr viel transparent und offen abläuft, habt Ihr auch mitbekommen, dass ich mich eigentlich verändern wollte, etwas in den Hintergrund treten wollte. Aber, getreu dem Motto, nach dem Plan kommt das Leben, bleib ich Euch treu, ob Ihr wollt oder nicht. Und im Nachhinein gesehen bin ich froh, dass
alles so kam, wie es kam. Ich liebe, was ich tue, ich liebe Euren Zuspruch, Eure Kritik, Eure Forderung, mich immer wieder neu zu erfinden. Danke auf diesem Weg und getreu einem andren alten Mann „vorwärts immer, usw. …“.
Da es August ist und überall wunderschöne Boogies stattfinden, tingel ich gerade mit Hund und Bauchladen über die Plätze. Und das ist viel schöner, als „stumpfisttrumpf“ jeden Tag Onlinebestellungen zu verpacken und raus in die Anonymität zu schicken. Ich lern Euch kennen, Ihr hört Euch meine
dummen Sprüche an, ich lern ne Menge mit Euch.
Bei nem Boogie treffen alle aufeinander. Die Schüler, die Newbies, Freeflyer in allen Mutationen, verbissen arbeitende RWGruppen (die Formation war gut, doch dann kam der Exit) und natürlich die altgedienten Cracks, zumindest die, die trotz Arthrose und künstlichen Knien noch in den Flieger steigen können.
Und deren Sichtweise des Sports für uns immer noch sehr wertvoll ist, man muss sich nur die Zeit nehmen und hinhören (Zwinkersmiley ;-)))
Entsprechend dieses bunten Blumenstraußes an fallendem Fleisch sind die Fragen und Unterhaltungen so wunderschön lehrreich und unterschiedlich.
Von der Nachfrage nach einem neuen Visier für einen 30 Jahre alten umgebauten Mopedhelm „Retro Eierschale“ über völliges Unverständnis ob des fehlenden Supports für einen Höhenmesser, dessen Hersteller seit 8 Jahren in Konkurs ist, bis hin zu meiner Verzweiflung, da trotz 40 mitgebrachten Helmen nun eben nicht der neue G35 in Lachsgrün in 3XL dabei ist. Mea culpa.
Und natürlich, wie könnte es anders sein, kommen unsere neuen Sportskollegen zu mir, Helme, Brillen, Altis, Aufkleber, mein Hund, alles ist interessant und ja, man kann endlich mal alles anfassen. Außer mich, ich bin zu alt 🙂
Und jetzt komme ich zum eigentlichen Thema, denn eine Frage taucht immer wieder auf, in den letzten zwei Tagen, in denen ich hier auf dem Skyberry-Boogie in Leipzig bin, alleine 15-mal, die Frage nach gebrauchten Gurtzeugen. Und alle sind sie vertreten, von der 48 Kilo Elfe bis hin zum 2-Meter-Kampfbaum mit Oberarmen, die wie meine Oberschenkel aussehen. Und manche kommen auch direkt mit ihren „neuen“, im Internet erworbenen Schätzchen zu mir, teils um etwas ändern zu lassen, teilweise aber auch, um sich für ihre Errungenschaften den verdienten Schulterklopfer abzuholen. Den ich gerne verteilen würd, aber nicht an unsere neuen Kollegen, sondern oft an die Verkäufer dieser, ja, „Kellerfunde“, ein anderes Wort fällt mir schwer. Und der Schulterklopfer fällt in Gedanken etwas fester aus.
Zur Erinnerung: Ich gebe hier lediglich meine Meinung wieder, ich mag mit dem einen oder andren verkehrt liegen, ich mag mir manchmal etwas zu viel rausnehmen, und, ich weiß auch nicht alles, bin noch längst nicht fertig mit lernen. Und ja, ich bin Verkäufer, ich lebe davon, ich versuche aber trotz Eigeninteresse immer, unsre Neuen zu unterstützen, aufzuklären, manchmal geh ich vielleicht zu weit.
ABER: Wenn ich über die in den letzten Monaten erlebten Vorkommnisse nachdenk, sei mir die eine oder andre Frage nach dem Sinn gestattet.
Kennt Ihr den Clipper? Nein, das ist nicht der berühmte Delphin aus den 60ern, das ist ein Fallschirm. Oder war mal einer. Von Flight Concepts. War ein guter Schirm. In den 90ern. Als man noch Schulterpolster und Vokuhila kannte.
Ich kannte ihn nicht. Bis ich zufällig auf einer meiner Touren darüber stolperte, weil einem Neuspringer dieses Überbleibsel aus den Endtagen des kalten Krieges als Anfängerschirm verkauft wurde. Man muss dazu sagen, dass ein Schirm mit einigen Jahren auf dem Buckel nicht automatisch schlecht ist, dieser hatte aber zudem extrem schlechte Leinen, die teils nur noch ein Fünftel ihrer Tragkraft hatten. Letztendlich war der Verkäufer anständigerweise bereit, dieses Schätzchen zurückzunehmen, als man den ahnungslosen Springer darüber informiert hat, aber den Ärger hätte man sich sparen können.
Unabhängig davon, dass man so etwas einfach nicht mehr verkauft, schlechte Konjunkturzeiten hin oder her, habe ich die große Bitte an Euch Frischlizenzler, BEVOR Ihr in Erwägung zieht, irgendetwas zu kaufen, fragt Eure Vertrauten an der Dropzone, fragt die ansässigen Warte oder Techniker, recherchiert. Wenn kein andrer diesen Schirm hat, mag das einen Grund haben.
Eine 23 Jahre alte Tempo 150. Siehe Überschrift dieses Artikels. Springer zeigt mir stolz die Tüte, hat er in Südeuropa gekauft, ihm fehlen nur Papiere, dann hat er die 300 Euro gut angelegt. Er war nicht begeistert ob meiner Einlassung, dass die nach 20 Jahren laut Hersteller gar nicht mehr lufttüchtig ist. Ja, wir „Erfahrenen“ wissen das, aber der Newbie? Nochmal, Jungs/Mädels/Divers, es hat nichts mit Bevormundung zu tun, fragt uns, 300 Euro sind viel Geld für nichts. Der Verkäufer dieses Sahnestücks weigert sich bis heute, die Tischdecke zurückzunehmen.
Springerin zeigt mir ihr gekauftes Vector. Mir kommen Zweifel. Zweifel, wie das passen soll. Recherche über UPT ergibt, Rig wurde gemacht für Torso 54, Brust 105, Taille 100, Größe 178, Gewicht 84 kg, männlich. Sie hat Torso 42, Brust und Taille sehr schmal (bei Frauen spricht man nicht über Maße 😉 51 Kilo, 165 cm Größe. Übers Internet in Osteuropa gekauft, es wurde ihr versichert, dass es vielleicht nicht 100% sitzt, aber „einigermaßen“. Über dropzone-ansässige Bekannte wurde eine Rücknahme veranlasst. Das in diesem Artikel beigefügte Bild zeigt, wie so etwas aussieht. Am Boden. Ohne Anströmung.
Noch eine Warnung aus aktuellem Anlass: In verschiedenen Socialmedia Gebrauchtseiten tauchen gute Angebote (zu gute) auf, im Moment aus dem südeuropäischen Raum, Zahlung vorab auf ein Konto im Ausland. Welches sich im Nachhinein als reines Kreditkartenkonto herausstellt, das Geld ist weg, der
Verkäufer auch. Was in anderen Sparten gang und gäbe ist, hat uns auch erreicht. Bitte zahlt nur mit echtem Käuferschutz und weicht nicht davon ab!
Manche Hersteller von Fallschirmequipment sind renommierter als andere, beweisen sich schon etliche Jahre am Markt, entwickeln weiter, bringen sich ein.
Und manche sind nach einigen Jahren wieder vom Markt. Falsches Management, sicherheitsrelevante Vorkommnisse, zweifelhafte Entwicklungen, einfach Pech, egal wie, diese Systeme landen dann vermehrt auf den einschlägigen Gebrauchtforen in genau Euren Maßen, und ja, sehr günstig. Oft wisst Ihr gar nicht, dass es den Hersteller nicht mehr gibt (was zur Folge hat, dass es zeitnah auch keine Ersatzteile mehr geben kann), Ihr habt dann ein Gurtzeug, was Ihr nur sehr schwer oder gar nicht mehr loswerdet. Zumindest nicht für Geld. Denn auch darauf kommt es an. Ihr werdet dieses Teil nicht ewig springen, Ihr wollt etwas
anderes, kleineres, oder Euer Leben entwickelt sich in eine Richtung, die Springen nicht mehr im Vordergrund hat. Dann wollt Ihr die Tausende, die Ihr bezahlt habt, nicht einfach abschreiben. Deswegen auch da der Tip, sich vorher mit den „Erfahrenen“ auszutauschen.
Egal ob neu oder gebraucht, egal ob 3 Jahre alt oder 15. Das sagt erst mal nichts aus. Aber Ihr seid neu in diesem Sport, und auch, wenn Ihr gezeigt habt, dass Ihr sicherheitsbewusst genug und Herr Eurer Sinne seid, so sehr, dass Ihr mit Eurer hart erkämpften Lizenz nun Löcher in den Luftraum brennen dürft
und die Schönheit und Exklusivität dieser neuen Welt erobert, so seid dennoch vorsichtig, es gibt nicht nur Einhörner da draußen, machmal sind es Bären, die Euch aufgebunden werden. Und nicht jede Erfahrung müsst Ihr allein machen, dafür sind wir gerne und jederzeit da.
Passt auf Euch auf da draußen!
Raphael Schlegel