Vom 19. bis zum 22. April 2023 wurden in Liptovsky Mikulas/Slowakei die Weltmeisterschaften im Indoor Skydiving unter Beteiligung von 254 Athlet*innen aus 25 Nationen in den drei Indoor-Disziplinen in folgenden Wertungsklassen ausgetragen:
- Dynamic Flying (Dynamic 2-way open, Dynamic 2-way junior, Dynamic 4 way-open)
- Formation Skydiving (4-way open, 4-way female, VFS)
- Solo Freestyle (Solo Freestyle open, Solo Freestyle Junior)
Die Wertungen Dynamic 4-way junior und Formation Skydiving 4-way junior konnten mangels Anmeldungen nicht ausgerichtet werden, da die erforderliche Mindestanzahl von vier anmeldenden Nationen nicht erreicht wurde.
STARKE LEISTUNGEN DER DEUTSCHEN ATHLET*INNEN
Die deutsche Delegation ist unter der Leitung von Ralph Schusser mit 16 Athlet*innen zur Weltmeisterschaft angereist. Die deutschen Windtunnelflieger*innen haben sich bei der Weltmeisterschaft hervorragend präsentiert. Für das Highlight aus deutscher Sicht sorgte das Team Windobona Berlin Flytopia
mit dem Gewinn der Bronzemedaille. Die beiden Berliner Christian Kaufmann (28) und Timmy Dittrich (23) retteten nach einem hochspannenden Wettkampf mit hauchdünnem Vorsprung Bronze vor Frankreich hinter den beiden hochfavorisierten Gewinnerteams aus den USA. Sie konnten ihre bisherige beste internationale Platzierung (Platz 8) bei dem Weltcup im Indoor Skydiving im belgischen Charleroi aus dem Jahr 2022 deutlich verbessern und das begehrte Podium erklimmen. Mit Rang drei hinter den beiden US-amerikanischen Teams D2W2 und D2W1 etablierte sich das deutsche Duo unter 12 teilnehmenden Teams damit in der absoluten Weltspitze.
In der Disziplin Formation Skydiving 4-way open belegte das Team Airfource Jochen Schweizer Arena mit Christian Schaefer (32, Weinsberg), Robin Griesheimer (26, Schwabsoien) und den beiden Schongauern Christian Kautzmann (33) und Elischa Weber (34) unter 19 Teams mit 264 Punkten einen hervorragenden fünften Platz. Gold ging an die USA (323) vor Frankreich (308) und Belgien (304). Gegenüber der letzten WM-Teilnahme 2019 mit Rang neun steigerten sich die Deutschen damit um vier Plätze.
Über Rang fünf (218 Punkte) im Formation Skydiving 4-way female durfte sich auch das Team Piteraq mit Sylvia Maier (55, Polling), Petra Jastram (43, Bremen) und den beiden Münchnerinnen Linda Köb (34) und Susa Serra (46) freuen. Gold gewannen die Französinnen (285) vor den USA (276) und Großbritannien (268).
Bei der WM-Premiere einer deutschen Kadermannschaft in der Disziplin Vertical Formation Skydiving open erreichte das Team „Rundes Viereck“ mit Martin Carl (29, Unterhaching), Lorenzo Genuario (26, Ottobrunn), Olivier Rogoll (28, München) und Robert Jones (35, Neubiberg) ebenfalls den fünften Rang
(176 Punkte). Gold ging an die USA (281) vor Italien (277) und Polen (271).
Pech hatte dagegen das neuformierte Duo Johannes Heptner (34, Detmold) und Karyna Bozhytska (24, Essen) im 2-way Dynamic open, da Karyna verletzungsbedingt nicht antreten konnte.
Besser lief es für Heptner, der auch den Posten des Bundestrainers bekleidet, im Indoor Solo Freestyle open. Bei seiner WM-Premiere in dieser Disziplin gelang dem Detmolder unter 20 Athlet*innen aus 16 Nationen ein guter 13. Platz. Gold ging an Kyra Poh (Singapur, 73,2 Punkte) vor der Polin Maja Kuczynska (72,5) und dem Letten Tom Ivans (70,5). Heptners Teamkollegin Victoria Markewitz (33, Berlin) belegte bei ihrem internationalen Debüt Rang 19.
Neben den hervorragenden Ergebnissen wird uns die WM aber auch wegen der sportlichen Leistungen der anderen Nationen, der vielen Erfahrungen und Eindrücke in Erinnerung bleiben.
Sechs neue Rekorde wurden auf internationalem Niveau aufgestellt.
- Weltrekord: Dynamic 4-way (fastest speed) (USA) 56,737 sec
- Nordamerikanischer Rekord: Dynamic 4-way (fastest speed) (USA) 56,737 sec
- Europäischer Rekord: Dynamic 4-way (fastest speed) (Schweiz) 59,833 sec
- Nordamerikanischer Rekord: FS 4-way female (highest average over 10 rounds) (USA) 27,6 points
- Nordamerikanischer Rekord Dynamic 2-way open (fastest speed) (USA) 47,520 sec
- Europäischer Rekord: Dynamic 2-way junior (fastest speed) (Frankreich) 91,699 sec
Für die Bewertungen der Leistungen der Athlet*innen wurden neben vielen ausländischen Schiedsrichter*innen als deutsche Schiedsrichter*innen von der Chefschiedsrichterin im Formation Skydiving Rina Gallo Marc Frielingsdorf und Juliane Radow ausgewählt. In Artistic Events hat die Chefschiedsrichterin
Silvia Wagner Nina Engel und Anna-Karin Nordin in das Schiedsrichtergremium berufen.
Der Windtunnel der Hurricane Factory Tatralandia ist in das Holiday Resort Tatralandia eingebunden und liegt in einem malerischen Tal zwischen dem hohen Tatragebirge im Norden und dem niedrigen Tatragebirge im Süden. Der Windtunnel war aus den Unterkünften des Ferienresorts fußläufig in wenigen Minuten gut zu erreichen.
Zur Ablenkung der Athlet*innen bietet das Ferienresort einen Wasserpark mit allerlei Wellnesseinrichtungen und einen direkt an den Windtunnel angrenzenden Tierpark/Streichelzoo. Frühstück und Mittagessen wurde in den Unterkünften ausreichend angeboten. Das Mobilfunk ist hervorragend ausgebaut, während die Internetverbindung aufgrund des hohen Aufkommens an die Leistungsgrenzen gestoßen ist. Für die Delegationen wurde die nahe gelegene Sporthalle (Arena) reserviert, die extra für die Weltmeisterschaft vorbereitet wurde. Neben 5 creeping areas waren zahlreiche Sitzmöglichkeiten, sanitäre Anlagen, ein Getränkeausschank und die Übertragung des Livestreams vorhanden.
Vier nicht alltägliche Vorkommnisse bei der Weltmeisterschaft sind erwähnenswert. Die veraltete Bauart des Tunnels war verantwortlich dafür, dass die Temperatur im Tunnel bei Auslastung immer höher angestiegen ist und bis an die 50° Celsius Grenze heranreichte. Die extrem hohe Hitzebelastung bereitete den Athlet*innen in der Phase der unmittelbaren Wettkampfvorbereitung große Probleme und war mitunter ursächlich für den Kreislaufkollaps einer Athletin an zwei verschiedenen Tagen, die medizinisch versorgt werden musste. Nur mit viel Glück konnte die Athletin im Anschluss an die Vorbereitungsphase an der WM teilnehmen.
Die Jury, vertreten vor Ort durch Mike Pennock und Natasha Higman, hat mit der FAI-Controllerin Ron Miasnikov die Auswirkungen von Wärmeindexen auf die Belastungsfähigkeit ausgewertet und in Rücksprache mit Athlet*innen, dem Safety and Technical Committee (vertreten vor Ort durch Ralph Schusser)
und dem Indoor Skydiving Committee empfohlen, dass der Wettbewerb zu unterbrechen ist, wenn die Temperatur im Formation Skydiving und Solo Freestyle 36° Celsius und im Dynamic Flying 40° Celsius übersteigt. Der gesamte Zeitplan wurde daraufhin überprüft und angepasst.
Im Formation Skydiving konnten die Videos von den Athleten am ersten Tag nicht eingesehen werden, wodurch nicht klar war, wo die Kamera im Tunnel befestigt ist. Das hat bei der vorhandenen seitlichen Anbringung dazu geführt, dass ein Team im Tunnel zu hoch geflogen ist und durch den Kamerawinkel die Schiedsrichter einige Griffe nicht sehen konnten.
Im Dynamic 4-way kam es zu einem Protest der Schweizer, nachdem aufgrund einer Beschwerde von Singapur das offizielle Ergebnis des Battle zwischen Schweiz und Singapur nach Videoreview zugunsten von Singapur abgeändert wurde. Die Jury hat dem Protest stattgegeben, da eine Bewertung der
Judges nicht protestfähig ist, in den Competition Rules von Dynamic Flying ein Videoreview nicht vorgesehen ist und es gängige Praxis ist, dass sich das inoffizielle Ergebnis nur durch die Unterschrift des Chief Judge auf der Ergebnisliste von dem offiziellen Ergebnis unterscheidet. Durch die Entscheidung
konnte die Schweiz im Finale gegen die USA antreten und die Silbermedaille gewinnen.
Die Protesteinreichung (erst möglich nach Ablehnung der Beschwerde) ist nur möglich, wenn die Protestzeit eingehalten wird und die Protestgebühr (150 CHF) in bar eingereicht wird. Am letzten Wettkampftag ist die WADA erschienen und hat die obligatorischen Dopingtests bei einigen Athlet*innen
durchgeführt. Obwohl unsere Athleten davon nicht betroffen waren, hat es sich gezeigt, wie wichtig es ist, die Anti-Doping Bestimmungen einzuhalten. Eine unserer Athlet*innen musste sogar im Vorfeld aufgrund der zwingend notwendigen Einnahme von Medikamenten eine medizinische Ausnahmegenehmigung (Therapeutic Use Exemption) beantragen und sich von der WADA genehmigen lassen.
Ralph Schusser