Liebe DFV-Mitglieder „haltet durch“, so lautet der Aufruf zum Auftakt der vorliegenden FFX-Ausgabe. Und damit ist freilich nicht die Motivation zum Springengehen gemeint, denn die Saison hat ja gerade erst angefangen und neigt sich – oh Schreck – auch schon bald wieder ihrem Ende entgegen. Wer sollte da schon Motivationsprobleme haben? Gemeint sind natürlich die – ach so schrecklichen – Hygienemaßnahmen, die uns vermeintlich unserer Freiheitsrechte berauben, von geheimen Zirkeln zur Verfolgung abstruser Ziele übergestülpt und von willfährigen Institutionen unter dem Deckmantel der Wissenschaft gerechtfertigt werden. Und gegen die dieser Tage erstaunlich Viele – gemessen am Anteil der Bevölkerung sind es natürlich nur ein paar wenige – auf die Straße gehen, um zu protestieren, natürlich ohne Maske, ohne Abstand, ohne Anstand gegenüber Andersgläubigen und auch ohne Respekt vor Errungenschaften oder bedeutsamen Symbolen unserer Demokratie.
Uiuiui, jetzt wird’s wieder politisch. Keine Sorge, der Fokus bleibt auf den Fallschirmsport gerichtet, aber dass wir ihn gegenwärtig ausüben können, hat natürlich auch eine politische Komponente. Denn unserem beileibe nicht systemrelevanten Sport wurde von Seiten der Politik bzw. seitens der Institutionen der Exekutive eine gewisse Portion Vertrauen entgegengebracht, damit wir ihn auch mit dem Virus im Nacken wieder ausüben dürfen. Erste Bedingung dafür war, einen Katalog mit Maßnahmen vorzulegen, mit Hilfe derer die Wahrscheinlichkeit minimiert wird, dass es an einem Sprungplatz zu einer Infektion kommt. Bedingung zwei war und ist, dafür zu sorgen, dass die selbst auferlegten Regeln auch eingehalten werden. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.
Nun erfordert regelkonformes Verhalten ein Mindestmaß an Einsicht und Verständnis für die Sinnhaftigkeit der besonderen Maßnahmen, idealerweise gepaart mit ein wenig Disziplin, vor allem von denen, die eine Vorbildfunktion innehaben. Und natürlich ist es weder der Einsicht noch der Disziplin zuträglich, wenn Hygienevorkehrungen von Tag zu Tag oder von Wochenende zu Wochenende dem Schlendrian anheimfallen und trotzdem nichts passiert. Doch ist dies kein Beweis dafür, dass die Maßnahmen unsinnig sind, sondern lediglich ein Indiz dafür, dass kein „Spreader“ vor Ort war. Das ist kein Verdienst, sondern Glück, und darauf sollte sich niemand verlassen, schon
gar nicht in unserem Sport. Also gilt es Einsicht und Disziplin aufrecht zu erhalten bzw. immer wieder hochzufahren.
Im Anschluss an ein Vorkommnis im Juli, das schnell kommunikative Verbreitung gefunden hat, erging folgender Appell an die Vereinsspitze:
a. Verhaltet Euch selbst in jeder Situation vorbildlich, sonst glaubt Euch niemand.
b. Verpflichtet Euer Personal zu ebensolchem Verhalten, verbunden mit der Botschaft, dass die Verantwortung groß ist und über die Vereinsgrenzen hinausreicht.
c. Legt Wert darauf, dass die Maßnahmen von allen gelebt werden – nicht weil’s bestraft wird, wenn man’s nicht tut, sondern weil’s gut, richtig und verantwortungsbewusst ist, so zu handeln.
d. Diejenigen Kandidaten, die alles besser zu wissen meinen und sich bewusst / demonstrativ darüber hinwegsetzen möchten, mögen sich einen anderen Ort suchen – in der Skydiving-Community ist gegenwärtig kein Platz für sie.
Dieser Appell sei an dieser Stelle für alle wiederholt, verbunden mit der Bitte um Beherzigung und entsprechende Umsetzung auch während des restlichen Teils der Saison. Denn wir handeln nicht dann smart und cool, wenn wir uns den Regeln widersetzen, sondern wenn wir dem (vom Philosophen Odo Marquard so genannten) »Prinzessin-aufder-Erbse-Syndrom« entgegenwirken – der eigentümlichen Fähigkeit des modernen Menschen, »unter immer weniger immer mehr zu leiden«.
Dr. Henning Stumpp