… oder nennen wir sie mal ereignisreiche Landungen – die oftmals Mensch und Ausrüstung strapazieren. Natürlich liegt nach einer solchen Landung auf dem Boden der Tatsachen erst mal der Fokus auf der Unversehrtheit des Springers, denn Gesundheit kann man nicht nachbestellen.
Die Unfallzahlen aus der DFV-Statistik belegen, dass sich die häufigsten Ereignisse während der Landung abspielen. In den meisten Fällen erscheint der Vorfall glücklicherweise nicht in der Statistik, da trotz harter Landung eine Verletzung ausbleibt. Was aber passiert mit unserer Ausrüstung, fragt da auch jemand nach, ob es ihr noch gut geht?
Ein Beispiel aus der Praxis soll aufzeigen, dass auch unser Material nicht immer alles nur wegsteckt, sondern ab und an einfach aufgibt. Es ist deshalb nach einem harten Aufkommen auch eine gewisse Nachsorge am Equipment vorzunehmen. Der folgende Bericht wurde in Abstimmung mit dem betroffenen Springer geschrieben und zählt zu der Kategorie: „Aus Fehlern lernen“. Vorangegangen war eine extrem harte Landung auf dem Rücken und ein anschließendes Schleifen über den Boden (Gras und Asphalt) durch starke Windbedingungen.
Es gibt ja Dinge, die sind unübersehbar, und man realisiert schnell, da passt etwas nicht. So hat der Springer in unserem Beispiel auch gleich nach der Landung bemerkt: Der Höhenmesser steckt nicht mehr im Wrist Mount und liegt in 3 Meter Entfernung mit gebrochenem Display. Das ist eine klare Sache, kaputt und muss erneuert werden. Dem Rig selber schenkte man leider (bis auf den Grad der Verschmutzung) keine weitere Beachtung und es war noch knapp 3 Monate in der Luft, bevor es wieder zum Wintercheck abgegeben wurde.
Dort fiel neben der neuen, braun/grünen Farbgebung gleich auf, dass das Gurtzeug komplett verzogen und optisch unsymmetrisch wirkte.
Der Springer zieht also in der Loft sein Rig an, um routinemäßig die Handles zu ziehen. Abtrennen geht ohne Schwierigkeiten, dass Ziehen am Reservekissen scheint Probleme zu bereiten.
Ein plumpes „stell dich nicht so an und zieh vernünftig“ von meiner Seite ändert nichts an der Situation. Also packe ich mit an, wir ziehen zu zweit am Reservekissen. Ändert auch nichts, Pin steckt noch und die Reserve ist zu.
So langsam werde ich neugierig und bitte den Kunden das Rig wieder auszuziehen. Wir hängen also die Haupttragegurte ab und nehmen den D-Bag (POD) mit Hauptschirm aus dem Container.
Um den Reservepin genauer zu inspizieren, öffne ich die Reserveklappe und sehe sofort ein schwarz unterlaufenes Cypres-Bedienteil. Im Display ist eine Druckstelle, das AAD zeigt aber keinen Fehlercode an, die Null ist nach wie vor zu sehen.
Ein paar Zentimeter weiter unterhalb ist der Reservepin. Die Plombe fehlt und der Pin ist in der Mitte (wo der Loop sitzt) ca. 45 Grad nach oben gebogen.
Um die Zugkraft beim Ziehen so gering wie möglich zu halten, sollte der Pin eigentlich absolut gerade sein. Mit einer Zange!!! entfernen wir den Pin und öffnen den Reservecontainer!!!
Sowohl die Bridle wie auch der Federhilfsschirm vom Freebag liegen zu weit rechts und sind komplett off set, also außermittig.
Die V-Schläge der Bridle sind größtenteils verschoben und haben nichts mehr mit einem V zu tun. Das wäre für die Öffnung bestimmt nicht optimal gewesen, hätte aber funktionieren können.
Als die letzten Reste der Landewiese (Gras und Dreck) entfernt sind, sehen wir uns das Innere etwas genauer an.
Wir ziehen den Cypres Cutter aus der Tasche und sehen ein gebrochenes Plastik an der Kabeleinführung. Da das Bedienteil keine Fehlermeldung anzeigt, scheint der Cutter technisch immer noch zu funktionieren und es ist nur die äußere Hülle beschädigt.
Wie auf einer Schatzsuche geht es weiter, alle Klappen sind offen und wir blicken auf das Freebag. Dort sieht man sofort, das Freebag ist im wahrsten Sinne aufgeplatzt. Im oberen Drittel klafft ein ca. 9 cm langer Riss und die Reservekappe kommt heraus.
Auch nicht optimal für ein sauberes Öffnungsprozedere und nebenbei hat der Freebag seine Schutzfunktion verloren, denn der ganze Dreck liegt im Reservefallschirm.
Als ich den Freeebag leicht angehoben habe, wurden nun noch die Reserveriser sichtbar. Diese liegen normalerweise parallel zueinander und sind gestrafft, die Leinen liegen sauber auf dem Connector Link.
Dass die Riser in diesem Fall unmöglich parallel und gestrafft liegen konnten, sah man schon von der Seitenansicht bei geschlossenem Container. Die Reservetragegurte waren viel zu locker und zu weit herausgezogen.
Vereinzelte Leinen rutschten über die Schlösser des Connector Links, diese Leinen könnten bei einer Reserveaktivierung aufgrund ungleicher Belastung unter Umständen brechen.
Ein etwas blasser Springer sitzt mir gegenüber und fasst für sich das Szenario kurz zusammen:
„Da ich nicht selbst in der Lage bin, meinen Reservepin zu ziehen, muss ich mich auf mein äußerst strapaziertes AAD verlassen.
Wenn dies in 225m seinen Dienst verrichtet hat, habe ich viele Einflussfaktoren (Federhilfsschirm und Bridle off set, Loch im Freebag, Leinen am Connector Link), die Verzögerungen oder Unregelmäßigkeiten während der Öffnungsphase mit sich bringen können.“
Gut zusammengefasst, dem kann ich mich nur anschließen!
Wir sind uns einig – ein Blick mehr aufs Gurtzeug nach solchen Landungen schadet nicht! Dass wir jetzt noch zusätzlich viele Kleinigkeiten wie abgeschürfte Beingurte, Kratzer in der Hardware (Ringe), offene Nähte usw. gefunden haben, lassen wir mal außen vor und beschränken uns hier auf die Highlights. 🙂
Bitte werft nach solchen Landungen selbstkritisch einen Blick über eure Komponenten und fragt bei Fallschirmwarten und Technikern um Rat!
Bleibt gesund und landet schön!!
Sepp Bunk / Raphael Schlegel