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Es ging alles ganz schnell. Vom Gedanken an ein Winterboogie in Südeuropa hatte man sich bereits verabschiedet und die Indoor-DM war abgebrochen, bevor sie überhaupt hat beginnen können, als viele Platzbetreiber Mitte März vor der Frage standen, ob man denn am Wochenende zum Sprungbetrieb einladen dürfe oder die Saisoneröffnung zu Ostern planmäßig durchführen könne. Diese Phase der Verunsicherung war nicht nur deshalb so unangenehm, weil man gar nicht glauben mochte, was da gerade passiert, sondern auch, weil Politik und Behörden ihre Analysen im Minutentakt revidierten und die Restriktionen entsprechend hochfrequent verschärften. So war dann auch schon bald dem Letzten klar, dass Fallschirmspringen nicht systemrelevant ist und bis auf weiteres überhaupt nicht stattfinden würde, und zwar nirgends. Für die Springer war das einfach nur hinzunehmen, die Verantwortlichen in den Vereinen und Betrieben mussten hingegen schnellstmöglich aktiv werden, um das wirtschaftliche Überleben ihrer Institutionen zu sichern. Festangestellte Mitarbeiter wurden in Kurzarbeit entsandt, Versicherungen ausgesetzt, Steuer- und Mietstundungen erwirkt und vor allem Zahlungsverpflichtungen für die Absetzflugzeuge gestreckt. Zudem begab man sich zur Überwindung akuter Liquiditätsengpässe auf die Suche nach den vielen Soforthilfen, die täglich aufs Neue in die Mikrofone versprochen wurden.

Der DFV hat die Plätze und Vereine in dieser Zeit massiv unterstützt, indem konkrete Handlungsempfehlungen verabreicht und Informationen zur Schadensbegrenzung geliefert wurden. Verbandsgeschäftsführer Ralph Schusser selektierte hierzu unermüdlich relevante Publikationen aus den unendlichen Weiten des Netzes und kommunizierte mit Know-how-Trägern innerhalb und außerhalb der Community, um das Destillat daraus via Newsletter an die Entscheider zu geben. In enger Abstimmung mit den Schwesterverbänden im Luftsport sowie mit Dachverbänden (DAeC und DOSB) und Ministerien konnte auch schnell dafür gesorgt werden, dass sämtliche Lizenzen und Berechtigungen, die abzulaufen drohen, ihre Gültigkeit bis zum Jahresende behalten (vgl. „Katalog der Sofortmaßnahmen“ rechts). Hier bewährt sich ein über die Jahre eng geknüpftes und gut gepflegtes Netzwerk.

In einer Schnellumfrage bei den Vereinen und Unternehmen Anfang April wurde bestätigt, dass diese Maßnahmen fast ausnahmslos als nützlich und hilfreich empfunden wurden. So weit, so gut, doch muss die Arbeit weitergehen. Bei der Umfrage stellte sich nämlich auch heraus, dass gerade kleinere Vereine weitere Liquiditätshilfen benötigen oder sich noch nicht erfolgreich durchs Dickicht an Zuständigkeiten, Voraussetzungen und Nachweisen an die Fördertöpfe herangekämpft haben. Daher werden weiterhin Gespräche geführt, Quellen aufgetan, Erfahrungen getauscht und valide Ratschläge erteilt.

Mit mindestens genauso großem Eifer wird daran gearbeitet, einen geordneten und verantwortbaren Wiederanlauf des Sprungbetriebs zu ermöglichen. Denn hierin besteht das Hauptinteresse der kommerziellen Betriebe, deren Liquiditätsdruck zumeist noch deutlich größer ist als der von Vereinen mit ehrenamtlichem Personal und abbezahltem Absetzflieger. Längst werden dezentral Pläne geschmiedet, Kontakte bemüht oder gar schon infrastrukturelle Vorkehrungen für den Tag getroffen, an dem es wieder losgehen kann. So richtig dieses zukunftsorientierte Vorgehen ist, so wichtig ist es, den Blick fürs große Ganze zu wahren und die Bemühungen des organisierten Sports insgesamt nicht aus den Augen zu verlieren.

Wir alle erinnern uns an den 15. April, als Bundeskanzlerin Merkel die ersten Lockerungsmaßnahmen verkündete, welche von Bundesregierung und Ministerpräsidentenkonferenz beschlossen wurden. Darin war abgesehen vom Bundesliga-Fußball nicht eine Silbe zur weiteren Entwicklung im organisierten Sport enthalten, ebenso wenig wie zu anderen wichtigen zivilgesellschaftlichen Bereichen, die sonst gerne als soziale Tankstellen der Gesellschaft bezeichnet werden. Dies ist deshalb bemerkenswert, weil sich der DOSB mit seinen immerhin 100 Mitgliedsorganisationen bzw. 27 Millionen Mitgliedschaften in rund 90.000 Sportvereinen noch am Vorabend deutlich vernehmbar bei den Staatskanzleien und im Kanzleramt bemerkbar gemacht hat, um „Sportdeutschland“ unter bestmöglicher Wahrung von sozialer Distanz zu reaktivieren.

Nach diesem ernüchternden Befund gilt es Ende April den nächsten Anlauf zu nehmen, wenn Bundesregierung und Länder erneut zusammenkommen, um über die Zeit ab dem 4. Mai zu entscheiden. Erneut wird der DOSB hierzu einen starken Aufschlag auf Bundesebene machen, der auf Ebene der Länder durch die Landessportbünde flankiert wird. Grundgedanken dabei sind:

  • Der notwendige Gesundheitsschutz steht weiter an erster Stelle.
  • Dieser wird durch die „10 Leitplanken des DOSB“ beschrieben (vgl. Grafik „Fair Play“)
  • Die Spitzenverbände beschreiben ihrerseits, wie ihre Sportarten innerhalb dieser Leitplanken den Betrieb gestuft wieder aufnehmen können.

DOSB-FAIRPLAY

Genau an dieser Stelle wirkt der DFV aktiv und konstruktiv mit, indem er sowohl den Dachverband DAeC als auch die Landessportbünde und den DOSB mit einem entsprechenden Regelwerk für den Betrieb fallschirmsportlicher Einrichtungen versorgt (vgl. „Übergangsregeln“ unten). Dieses Regelwerk muss und wird etliche (einschränkende) Abweichungen vom Normalbetrieb enthalten, um zu signalisieren, dass wir uns der Besonderheit der Umstände vollumfänglich bewusst sind. Gebündelt über alle Sportarten entsteht auf diese Weise ein Angebotspaket an die Politik, welchem größere Chancen auf Annahme zu attestieren ist als einem fragmentierten Vorgehen. Denn bevor politische Entscheidungsträger einzelnen Interessen nochmals den Vorzug geben und sich damit eine Fülle neuer Forderungen ins Haus holen, lassen sie die Beschränkungen in einem noch immer frühen Lockerungsstadium lieber für alle bestehen. Dies ist zumindest für die tonangebenden Sportfunktionäre die Erkenntnis aus Exitschritt eins.

Wenn dieses wohl organisierte Vorgehen dazu führt, dass wir als Springer-Community unseren Sport früher als sonst wieder ausüben können, wird der DFV eine wesentliche Rolle gespielt und somit zum Fortbestehen des einen oder anderen Vereins oder Unternehmens beigetragen haben.

Und das ist beileibe noch längst nicht alles, was der DFV in diesen Zeiten tut. So ist auch der Verband vor ökonomische Herausforderungen gestellt, die es so noch nicht gab, weil auf der Einnahmeseite bislang sämtliche Gebühren aus der Beauftragung wegfallen, während auf der Kostenseite beinahe alles unverändert bleibt. Folglich ist jeder Cent mehrmals umzudrehen, um liquide und handlungsfähig zu bleiben, ohne die Mitglieder im Idealverein und vor allem den Spitzensport in Mitleidenschaft zu ziehen. So verlockend und einfach es aus finanzieller Sicht wäre, die Entsendung unserer Nationalteams zu den internationalen Spitzenwettbewerben zu stoppen, so einig war sich das Präsidium in seiner Sitzung am Karfreitag (!) darin, dass genau dies keine Option sein darf. Allen qualifizierten Sportlern bleibt nach wie vor die Möglichkeit zur verdienten Teilnahme an der Mondial in Tanay, RUS (August) bzw. an der Indoor-WM Charleroi, BEL (bereits von April in den Oktober verschoben) erhalten. Folglich glühen auch weiterhin die Drähte zwischen der Geschäftsstelle und den internationalen Schwesterverbänden bzw. der ISC, die für die Organisation und die Ausrichtung der Spitzenwettbewerbe zuständig ist. Regelmäßig eingebunden sind die Bundestrainer, die ihrerseits mit ihren Kadersportlern in enger Verbindung stehen.

Auch auf nationaler Ebene werden vorerst keine vorgesehenen Aktivitäten gestoppt. Allein dem Antrag auf Wiederholung der – unmittelbar vor dem eigentlichen Beginn – abgebrochenen Indoor-DM in Berlin wurde für 2020 eine Absage erteilt, weil hierfür erneut Kosten anfallen würden. Im Gegenzug wurde der Hurricane Factory angeboten, die DM 2021 auszurichten, auch weil die Jochen Schweizer Arena in München zugestimmt hat, die ihr bereits zugesprochene Ausrichtung dieser DM ins Jahr 2022 zu schieben.

Zurück zu den ökonomischen Herausforderungen: Da sich also ein Griff in den Sporthaushalt zum jetzigen Zeitpunkt verbietet, werden Szenarien gerechnet und auch tiefere Schnitte ins eigene Fleisch für den Fall erwogen, dass die Durststrecke doch deutlich länger dauern sollte, als wir es erhoffen und aktiv versuchen zu erwirken.

Man möge erkennen, dass sich haupt- und ehrenamtlich Tätige im Verband auch und gerade in Krisenzeiten auf allen Ebenen hoch energetisch und verantwortungsbewusst dafür einsetzen, dass möglichst viel von dem wiederzuerkennen ist, was wir uns zum tatsächlichen Saisonstart wiederzuerkennen wünschen.

Weil davon allerdings auch alle profitieren, die in keinem der Verbände organisiert sind und somit auch keinen Beitrag zur Verbandsarbeit leisten, bitten wir alle Einsichtigen um Unterstützung des Gefüges. Seid und bleibt zunächst überzeugt davon, dass ihr hier beim DFV richtig seid. Tragt zur Festigung der Community bei, indem ihr euch zur diesjährigen Delegiertenwahl stellt oder zumindest von eurer Stimme Gebrauch macht (vgl. hierzu auch den Beitrag von Daniel „SID“ Klein). Unterstützt eure Plätze und Vereine gleichermaßen diszipliniert wie konsumfreudig, sobald es wieder losgeht, und sprecht auch gerne mal das Thema an, was Solidarität im Fallschirmsport bedeutet, damit doch noch manch Außenstehende(r) den Weg in die Community findet. Letzteres geht sogar in Zeiten von Corona.

Dr. Henning Stumpp

P.S.: Die zeitliche Lücke zwischen Verfassen dieses Beitrags und seiner Publikation sorgt im Zusammenspiel mit der sehr dynamischen Entwicklung der Ereignisse womöglich dafür, dass einige Passagen bereits veraltet sind. Bitte informiert euch daher über die neuesten Entwicklungen auch auf der DFV-Webseite, wo zusätzlich zu den News auch eine Corona-Sonderseite eingerichtet ist.

Hinweis der Redaktion: Die Mondial in Tanay wurde kurz vor Druckbeginn abgesagt.

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