Allgemeine Situation
In der aktuellen Lage einer weltweiten Pandemie sind die Auswirkungen auf das tägliche Leben für alle weitreichend und einschneidend. Das betrifft aber leider auch in Deutschland entsprechend massiv den Fallschirmsport. Den Fallschirmsport betreiben die meisten Sportler als Freizeitsport, aber es gibt auch eine Gruppe von Fallschirmsportlern, die hauptberuflich im Fallschirmsport tätig sind. Dazu zählen die Sprungplätze mit ihrem Personal und auch viele selbstständige Sprunglehrer, Tandempiloten, Techniker, Warte und viele mehr.
Planungssicherheit
Für alle Beteiligten wäre die Situation viel einfacher zu bewerten, wenn man eine Information darüber hätte, wie lange die Ausnahmesituation anhalten wird. Leider ist dies nicht möglich. Warum nicht, werden vielleicht einige fragen. Nun ja, die Antwort ist eigentlich sehr einfach. Weil es keiner weiß. Wir haben es mit einem Virus zu tun, der erst seit 4-5 Monaten bekannt ist. Zwar besitzt er die volle Aufmerksamkeit der Forscher, aber einen Virus vollständig zu untersuchen und zu verstehen ist normalerweise nicht eine Tätigkeit von Wochen, sondern eher Jahren. Das benötigte Ziel, einen Impfstoff zu erhalten, dauert in der Regel noch länger. Dabei zu beachten ist, dass wir zwar alle einen Impfstoff schnell wollen, aber natürlich soll er auch wirken. Das zu prüfen dauert, weil klinische Studien viele Faktoren berücksichtigen müssen, um eine wirkliche Aussagekraft zu haben. Auch wenn wir natürlich hoffen, dass dieser morgen gefunden, geprüft, zugelassen, hergestellt, (weltweit) verbreitet und eingesetzt werden wird. Bis dies der Fall ist oder zumindest eine Behandlungsmethode verfügbar ist, müssen wir leider andere Maßnahmen ergreifen, um die Verbreitung des Virus einzudämmen. Ohne Kenntnis über die zeitliche Verfügbarkeit von Impfstoffen und/oder Behandlungsmethoden ist es nicht möglich, einen verbindlichen zeitlichen Horizont bezüglich der Maßnahmen abzusehen und damit Planungssicherheit zu geben.
Maßnahmen der Bundes- und Landesregierungen
Das größte Problem mit Maßnahmen in Verbindung mit dem aktuellen Coronavirus ist die Verzögerung, mit der die Maßnahmen Wirkung zeigen. Den wissenschaftlichen Mitteilungen zufolge ist von einer Verzögerung von ca. zwei Wochen auszugehen. Bei Maßnahmen ist auch immer abzuwägen, wie weitreichend die Folgen sind. Die aktuell von der Bundesregierung und den Landesregierungen getroffenen Maßnahmen sind einzuhalten. Diese unterscheiden sich auch lokal bis hin zur Gemeindeebene, weshalb es auf Bundesebene schwer ist, einheitliche Aussagen zu treffen. Es ist auch zu erwarten, dass nicht alle Bundesländer gleichzeitig den Sprungbetrieb wieder zulassen werden.
Auch wenn die Maßnahmen weitreichende Folgen haben, bleibt die Frage, ob wir eine Situation wie in den USA, Italien oder Spanien vorziehen würden. Im Vergleich zu den Todeszahlen dieser Länder sieht es in Deutschland noch recht gut aus (sogar bei vergleichbaren Infektionszahlen wie Frankreich oder Großbritannien).
Ausstiegsszenario
Betrachten wir einmal, welche Voraussetzungen nötig sind, um die oben angedeuteten Auswirkungen des Virus zu verhindern und einen „normalen“ Betrieb wie vorher wieder herzustellen. Hierzu gibt es nur eine Möglichkeit. Eine ausreichende Menge von Menschen (die meisten) sind gegen das Virus immun. Um dies zu erreichen, benötigt man entweder einen Impfstoff oder die Immunisierung erfolgt durch Durchleben der Krankheit. Letzteres wäre ein sehr langer zeitlicher Horizont. Allerdings ist es durchaus möglich, Tätigkeiten wieder aufzunehmen, bei denen die Ausbreitung des Virus minimiert wird. Dazu zählen sicher die Verhaltensregeln wie Abstand halten und der Verzicht auf Körperkontakt bei der Begrüßung sowie häufiges Händewaschen mit Seife und ähnliches Verhalten, das bekannt sein sollte.
Voraussetzungen für die Wirkung der Maßnahmen
Alle getroffenen Maßnahmen funktionieren nur so gut, wie sie angewendet werden. Entscheidend ist die Umsetzung von allen Menschen, und das schließt jeden Einzelnen von uns ein. Ein Einzelner kann viele andere anstecken, vor allem, wenn er selbst kaum Symptome hat. Daher kommt es auf die Disziplin jeder und jedes Einzelnen an. Eine Kontrolle durch die Exekutive ist hier nicht vollständig möglich. Allerdings löst das Fehlverhalten einiger weniger eine Verschärfung der Maßnahmen für alle aus.
Was der Verband tun kann und was nicht
Die Maßnahmen von Bundes- und Landesregierungen müssen wir zur Kenntnis nehmen. Der Verband kann sich nicht über die Gesetzeslage hinwegsetzen. In erster Linie kann er nur die Lage verfolgen, relevante Informationen selektieren bzw. aufbereiten und sie zeitnah an die Mitglieder weitergeben. Dieses wird seitens des Präsidiums und der Geschäftsstelle intensiv getan. Der Verband kann weder die Beschränkungen im Alleingang aufheben noch sind ausreichend valide und aussichtsreiche Argumente vorhanden, um dies bei den Behörden oder Regierungsvertretern zu fordern.
In erster Linie trifft es aktuell die Personen, die vom Fallschirmsport leben, sei es in Verbindung mit Sprungplätzen oder als Selbstständige. Hierzu gibt es seitens der Regierungen diverse Hilfsangebote, die in Anspruch genommen werden können. Hierzu sammelt der Verband Informationen und stellt sie Betroffenen zur Verfügung. Es wurde eine Umfrage durchgeführt, um die Situation der Sprungplätze einzuschätzen und zu eruieren, welche Maßnahmen der Verband zur Unterstützung durchführen kann. Eine Anmerkung zur Umfrage sei hier noch erwähnt. Die Angaben sind freiwillig und es ist seitens des Verbandes verständlich, wenn diese nicht oder nur in Teilen beantwortet werden. Der Verband kann aber nur mit den Informationen arbeiten, die er bekommt. Aus den Informationen und Anfragen versuchen wir möglichst effizient, unsere beschränkten Möglichkeiten zur Hilfe aller Fallschirmsportler einzusetzen.
Finanzen
Ein entscheidender Faktor ist sicherlich die Finanzsituation. Gerade Sprungplätze betreiben Flugzeuge, die vor allem Geld kosten, wenn sie nicht fliegen. In jedem Fall entfallen die Einnahmen, während die Kosten weiter laufen. Das betrifft gegenwärtig viele Leute in Deutschland und bedauerlicherweise auch viele im Fallschirmsport. Der Verband selbst ist diesbezüglich ebenfalls betroffen, auch wenn die Vorsorge für einen solchen Fall sich jetzt auszahlt. Daher wird auch seitens des Verbandes bereits überprüft, welche Projekte oder Kosten eingespart oder verschoben werden können. Auch spielt hier die Unsicherheit gerade bezüglich der Dauer der Ausnahmesituation und der Mondial, die aktuell immer noch im August geplant stattfinden soll, eine Rolle. Der Verband versucht also, seine Mitglieder zu unterstützen, allerdings sollte jedem klar sein, dass er nicht über finanzielle Mittel in Größenordnungen verfügt, die bezogen auf die Ausfallkosten aller Plätze in Deutschland auch nur ansatzweise hilfreich wären. Zumal sich jeder auch vor Augen führen muss, dass wir ein gemeinnütziger Verband sind, der Mittel des Verbandes nur für Zwecke der Satzung einsetzen darf und damit individuelle Zuwendungen an einzelne (gerade auch kommerzielle) Mitglieder schwierig bis unmöglich sind.
Wiederaufnahme des Sprungbetriebs
Auch wenn realistisch hiermit nicht zeitnah gerechnet werden kann, arbeitet der Verband an Richtlinien und Verfahren, wie auf den Sprungplätzen die Infektionsgefahr minimiert werden kann. Dass dieses kein einfaches Vorhaben ist, kann jeder Springer nachvollziehen, da wir alle schon mit vielen Personen in engen Fliegern gesessen haben. Trotzdem ist ein sinnvolles Konzept unerlässlich, um im Rahmen der Lockerungen möglichst früh berücksichtigt zu werden. Hierauf arbeitet der Verband hin, ist aber nicht der Entscheidungsträger. Hierzu kann sich jeder Gedanken machen und die Ideen auch gerne dem Verband mitteilen, damit er sie einarbeiten kann.
Geschäftsstelle
Die Geschäftsstelle des DFV ist wie alle von den Maßnahmen betroffen. Dennoch wird die Erreichbarkeit und Funktionsfähigkeit mittels Home Office und anderen Maßnahmen aufrechterhalten. Der Wegfall von Aufgaben wie die Bearbeitung von Lizenzen und Genehmigungen wird durch zusätzliche Aufgaben im Zuge der Pandemie mehr als aufgewogen (ohne jedoch dabei Einnahmen zu generieren). Weiterhin versucht die Geschäftsstelle, allen bei Fragen zur Verfügung zu stehen und Anfragen zeitnah zu bearbeiten sowie die Veröffentlichungen zu aktualisieren. An dieser Stelle sei der Geschäftsstelle mit allen Mitarbeitern für ihre gute und umfangreiche Arbeit gedankt.
Berechtigungen
Ein wichtiger Punkt sind aktuell die Berechtigungen. Der DFV hat bereits zu Beginn der Beschränkungen Erleichterungen und formlose Verlängerungen der Gültigkeitsdauer umgesetzt. Die Lage wird hier beobachtet und ggf. werden hier auch Maßnahmen und Regelungen angepasst werden. Man sollte allerdings beachten, dass es für Verlängerungskriterien und andere Richtlinien grundsätzlich gute, auf Sicherheitsaspekten beruhende Gründe gibt. Diese Gründe ändern sich nicht aufgrund der Tatsache, dass man diese gerade nicht erfüllen kann. Also sind einfache Verlängerungen von Fristen für einen längeren Zeitraum keine durchführbare Lösung. Gleichwohl ist das Problem bekannt und wird auch im Szenario bei der Wiederaufnahme des Sprungbetriebs berücksichtigt werden.
Sport
Eine Kernaufgabe unseres Verbandes ist die Förderung des Fallschirmsports und der dazugehörigen Meisterschaften und Bewerben. Hier ist die zentrale Veranstaltung die Mondial aller Fallschirmsportdisziplinen in Russland, die für August geplant ist. Aktuell ist diese Veranstaltung entgegen vielleicht einiger Annahmen (noch) nicht abgesagt. Eine Entscheidung ist in der aktuellen Lage erst Ende Mai zu erwarten. Bis dahin müssen wir leider mit beiden Möglichkeiten rechnen. Sofern die Veranstaltung stattfindet, stellt sich für die Sportler das Problem des Trainingsmangels. Viele Trainingsmaßnahmen können aktuell nicht stattfinden, und sofern die Lage die Mondial zulässt, ist nicht damit zu rechnen, dass alle Trainingsmaßnahmen noch nachgeholt werden können. Dies betrifft allerdings alle Sportler weltweit. Sofern die Veranstaltung abgesagt wird, sind logistische Probleme mit der Stornierung von Reisen und Umplanungen zu bewältigen. Die Bundestrainer betrachten hierzu die Situation bei ihren Disziplinen und geben die Intention der Sportler an die zuständigen Stellen weiter. Je länger eine Entscheidung herausgezögert wird, umso mühsamer ist der Umgang mit den Konsequenzen. Bedauerlicherweise liegt hier die Entscheidung primär beim Veranstalter und auch der FAI (ISC), mit denen der DFV in ständigem Kontakt steht. Aktuell bestünde nur die Möglichkeit, die Teilnahme an der Mondial einseitig abzusagen, egal ob diese dann stattfindet oder nicht. Diese Option wurde bereits erwogen, seitens der Sportler allerdings nicht gewünscht. Dies ist auch verständlich, da die Weltmeisterschaft das Ziel eines zweijährigen Trainings darstellt und eine Mondial im Besonderen in der Regel nur alle vier Jahre stattfindet.
Zu guter Letzt ist ein Punkt bei der Verbandsarbeit immer zu beachten. Der Verband hat zunächst geltendes Recht sowie Weisungen von Behörden und anderen Institutionen den Fallschirmsport betreffend zu beachten. Darüber hinaus sind die Interessen aller Luftsportler zu berücksichtigen und auch abzuwägen. Dabei können vielleicht einzelne Maßnahmen oder Aktivitäten nicht von allen nachvollzogen werden, da im eigenen Kontext nicht alle relevanten Aspekte bekannt sind. Auch dem Verband sind nicht immer alle Aspekte bekannt, selbst wenn sehr viel Energie in die Recherche und Berücksichtigung fließt. Daher ist jeder Fallschirmspringer aufgefordert, aus seiner Sicht nicht berücksichtigte Aspekte dem Verband zur Kenntnis zu bringen. Diese werden mit Sicherheit in der Abwägung gewürdigt werden. Eine Umsetzung ist sicherlich nicht in allen Fällen möglich. Das bedeutet jedoch in keinem Fall, dass der Beitrag ungelesen verschwindet oder ignoriert wird.
Björn Korth
DFV-Vizepräsident