Die Idee ist einfach: Barrieren zwischen adaptiven und nicht-adaptiven Fallschirmspringern abbauen, um eine Gemeinschaft zu schaffen, in der sich jeder willkommen fühlt. Auf diese Weise soll parallel zum Ausdruck gebracht werden, dass sämtliche Vorbehalte gegenüber behinderten Menschen nur sozial anerzogen bzw. konstruiert sind.
Für viele Fallschirmspringer mit einer Behinderung kann sich dabei genau diese Einbeziehung wie ein Aufwind anfühlen. Zudem kann dieses Miteinander die Denkweise von nicht behinderten Fallschirmspringern nachhaltig ändern, indem sie lernen, nicht vorschnell zu urteilen. Das 3. Outdoor Para-TAKEOFF Event hat dies durch die Schaffung einer sicheren, einladenden und integrativen Umgebung ein weiteres Mal ermöglicht.
Eine zweitägige Fahrt
Wir erfuhren von der Para-TAKEOFF-Veranstaltung durch die Indoor Para Skydive-Community und verfolgten alle Updates im Vorfeld über Instagram. Obwohl das Wetter überhaupt nicht gut aussah, verließen wir am Mittwoch nach der Arbeit Tilburg (Niederlande) und machten uns auf den Weg nach Deutschland. Wir buchten ein Hotel in Braunschweig für die Nacht und nach insgesamt 700 Kilometern Fahrt kamen wir schließlich gegen Mittag in Fehrbellin an.
Nach einer herzlichen Begrüßung und einer Führung über die DZ schlugen wir schnell unser Zelt auf. Gegen alle Erwartungen war die Wetterfee auf unserer Seite und wir konnten sogar, nach meiner Amputation im Dezember letzten Jahres, meinen ersten Sprung wagen. Wie sich herausstellte, war dies der perfekte Ort und Zeitpunkt dafür.
Nachdem wir uns manifestiert hatten, machten wir uns bereit und warfen einen letzten Blick auf die Landebedingungen. Zum ersten Mal überhaupt ging ich auf Gehstützen und einem Fuß zum Flugzeug. In einer Höhe von 4.000 m raste mein Herz und ich konnte es kaum erwarten, mich wieder aus dem Flugzeug zu stürzen. Mein Mann und ich hatten uns für einen einfachen Belly-Sprung entschieden, vor allem aber, um die Sache nach 7 Monaten Pause eher ruhig anzugehen. Dieser gemeinsame Sprung war für uns dann etwas ganz Besonderes, denn es war auch sein 1000ster. Glückliche Tage!
Nach einem reibungslosen Skydive und einer Rutschlandung auf dem Hintern (da ich ohne Beinprothese springe), habe ich zurück im Hangar ein wenig geweint. Nicht-Skydiver werden wahrscheinlich nie verstehen, wie ein einfacher Sprung einem das komplette Vertrauen und das Gefühl der Zugehörigkeit zurückgeben kann. Aber es ist so. Meine Saison hat gerade erst begonnen – ich bin zurück.
Para-TAKEOFF
Das Wochenende war unglaublich. Von der Organisation der Veranstaltung bis hin zu den Bieren, die wir mit allen geteilt haben. Es war großartig zu sehen, wie eine solche Nischengruppe (Fallschirmspringer mit einer Behinderung) auf einer DZ zusammenkam und sich gleichzeitig NICHT von den nicht-behinderten Fallschirmspringern unterschied. Die anwesenden adaptiven Fallschirmspringer hatten dabei sehr unterschiedliche Behinderungen, die von Amputation, Gehörlosigkeit, Rückenmarksverletzung oder Lähmung bis hin zur Fehlbildung reichten. Kleine Anekdote hierzu: Am Ende des Boogie kannten die meisten Fallschirmspringer zumindest die Zeichen für die verschiedenen Disziplinen des Fallschirmspringens in Gebärdensprache (bspw. für FF, Belly, Tracking und Wingsuit). That’s the spirit!
Das Programm
Während des Boogie war es möglich, bei verschiedenen Loadorganizern mitzumachen (Freefly + Winkel, FS/RW). Für Tandempassagiere mit einer Behinderung standen spezielle Gurtzeuge, Rampen und ein Einstiegslift zur Verfügung. Apropos Tandemsprung: DZ-Held und German Indoor Para Skydive Team-Manager Niki Jaklitsch absolvierte seinen 26sten Tandemsprung. Sein strahlendes Lächeln von Ohr zu Ohr sagte alles. Als Auszeichnung erhielt er ein goldenes Springerabzeichen – wohlverdient. Mahle überraschte mich ebenfalls, als ich ein bronzenes Abzeichen erhielt, so dass ich mich immer daran erinnern kann, dass ich in Fehrbellin meinen ersten Sprung nach meiner Amputation gemacht habe. Zuviel der Ehre!
Auch eine Hand voll Seminare war vorgesehen. Zuerst erfuhren wir etwas über das Mutant-Gurtzeug und wie das Mutant-Gurtzeug eine Lösung für adaptive Fallschirmspringer mit bestimmten Behinderungen sein könnte. Danach zeigte uns Stefan Tripke, wie man einen Fallschirm mit einer Hand fliegt. Dies ist nicht nur für adaptive Fallschirmspringer relevant, sondern für alle Fallschirmspringer, die während eines Sprungs die Funktion einer Hand oder eines Arms verlieren könnten (z. B. aufgrund eines ausgekugelten Arms, eines gebrochenen Handgelenks usw.).
Das Rollstuhlrennen war ein weiterer Teil des Programms, der ein wenig informeller war. OK, viel informeller. Wir kamen alle zusammen, um in zwei Läufen paarweise gegeneinander anzutreten, begleitet von einem Chaos, das zu purer Heiterkeit führte. Es stellte sich gar heraus, dass sich die Beinamputierten auf den Rollstühlen ein wenig „zu wohl“ fühlten (Schmiddl wurde Erster und ich Zweite – Wortspiel hier natürlich beabsichtigt).
Am Samstag ließen wir den Tag dann mit einem leckeren Grillfest ausklingen. Danach versammelten wir uns im Hangar, um den Eventmovie zu sehen, den Ozzie brillant zusammengestellt hat. Ich glaube, wir haben ihn an dem Abend alle mit 10/10 bewertet: definitiv sehenswert!
Die Tombola danach war derweil das Tüpfelchen auf dem „i“, ermöglicht durch viele großzügige Sachspenden von entsprechenden A-Marken im Sport, inszeniert durch Mit-Gastgeber JB im Namen der PTO 2025 zusammen mit Losfee Svea.
Trefft das Team
Die Veranstaltung wäre selbstverständlich ohne die enthusiastischen Macher, die sich für die Entwicklung des Para-Skydiving-Sports in Deutschland einsetzen, nicht möglich gewesen. Fehrbellin ist die Heimat-DZ dieses Teams, welche(s) ebenfalls in engem Kontakt mit der Hurricane Factory in Berlin steht.
Beide sind barrierefrei in Zugang und Denkweise. Zu den Leistungen gehören Veranstaltungen für Para-Skydiver in Zusammenarbeit mit dem TAKE OFF Fallschirmsport Fehrbellin e.V. für Indoor- und Outdoor-Skydiving. Die meisten der Gruppe treten auch als Indoor Para Skydive Athleten an oder arbeiten zumindest im Hintergrund, um das Rad am Laufen zu halten.
Sowohl die Indoor- als auch die Outdoor-Veranstaltungen sind zu einem großen Teil auf die finanzielle Unterstützung und Spenden verschiedener Sponsoren angewiesen. Ich habe gehört, dass gar eine Landkreisstiftung und das Ministerium für Integration des betreffenden Bundeslandes mit an der Veranstaltung beteiligt sind. Es ist erstaunlich zu sehen, wie die Gesellschaft mehr und mehr zusammenkommt, um am Thema Inklusion zu arbeiten. Hoffen wir hierzu allerdings auch, dass der Begriff „Inklusion“ auf lange Sicht nicht mehr notwendig sein wird.
Bis bald, Fehrbellin!
Nächstes Jahr sind wir auf jeden Fall wieder mit bei der Para-TAKEOFF dabei. In der Zwischenzeit versuchen wir noch mal vorher nach Fehrbellin zu fahren, um ein langes Fallschirmsprungwochenende zu verbringen. Vielleicht sogar, um an der Skyparty-Woche im August teilzunehmen. Falls nicht, dann auf jeden Fall an einem anderen Wochenende!
Seit der PTO fühlt sich Fehrbellin für uns wie ein zweites Zuhause an. Die tollen Menschen, die wir dort kennenlernen durften, haben das möglich gemacht. Wir können es kaum erwarten, wieder in den wunderbaren Himmel über Fehrbellin zu kommen und weitere schöne (oder auch chaotische) Sprünge mit euch zusammen zu machen 😀
Blue Skies,
Juliette Janssen
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