Das wissen wir wohl alle: Fallschirmspringen ist eine faszinierende und einzigartige Sportart mit Nervenkitzel, die nicht nur hohe Ansprüche an die mentale und physische Verfassung von uns Sportlern stellt, sondern auch viele gesundheitliche Vorteile mit sich bringt. Das regelmäßige Sporttreiben beugt Krankheiten wie Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebs vor und stärkt das Immunsystem sowie die Gedächtnisleistung u.v.m.
Aber: Leichte bis moderate Verletzungen im Bewegungsapparat? Wer kennt es nicht auf seinem Platz bzw. im Windkanal oder vielleicht ist es dir sogar selbst schon passiert? Sei es eine Zerrung, eine Sprunggelenksverletzung, ein Kreuzbandriss oder eine Verstauchung im Handgelenk? Warum ist das so?
In diesem Kontext ist es wichtig, sowohl die sportartspezifischen Belastungen des Fallschirmsports als auch die körperliche Verfassung der Springer zu analysieren, um geeignete Präventionsmaßnahmen zu ergreifen. Die Leistungsfähigkeit vieler Springer ist durch einen teils schlechten Trainingszustand, eine ungenügende Aktivierung der Muskulatur, eine verminderte Beweglichkeit in Rumpf und den Extremitäten sowie eine mangelnde Umstellungs- und Reaktionsfähigkeit beschränkt. Auch Müdigkeit, Erschöpfung und Stress sowie der Einfluss von Alkohol, Medikamenten oder Drogen können die Sicherheit und die Leistung der Sportler negativ beeinflussen.
Die Risiken dieses Sports sind nicht zu unterschätzen. Durch gezielte Prophylaxe lassen sich jedoch viele Verletzungen und Unfälle reduzieren, sodass der große Spaß während aller Sprungphasen im Vordergrund bleibt.
1. Physische Vorbereitung
Die körperliche Fitness spielt im Fallschirmsport eine zentrale Rolle. Ein starker Körper hilft dabei, die Belastungen während des Exits, des Freifalls, der Schirmöffnung und der Landung zu bewältigen. Z.B. erfolgt beim Absprung bzw. beim Exit eine Streckung der Sprung-, Knie- und Hüftgelenke und der Sprung wird somit eingeleitet bzw. bei der Landung wirkt aufgrund des erhöhten Einsprungs eine größere Kraft auf unseren Körper im Vergleich zu einem Sprung aus dem Stand. Auch die Landung kann unter wechselnden Bedingungen (veränderte Wetterverhältnisse, mögliche Kollisionen, …) erfolgen, auf die die Springer schnell reagieren müssen. Während des Freifalls wirken statische Kräfte wie der statische Auftrieb und die Erdanziehungskraft auf den Körper. Diese Kräfte erfordern Stabilität und Kontrolle, um sicher durch die Luft zu gleiten. In Disziplinen wie Formation Skydiving, RW (Relative Work), Freefly, Freestyle und AFF (Accelerated Freefall), aber auch im Tandembereich ist eine hohe Kraftausdauer gefragt, um über längere Zeiträume leistungsfähig zu bleiben. Der Öffnungsvorgang des Fallschirms stellt eine besondere Herausforderung dar. Die plötzliche Verzögerung erfordert eine hohe Maximalkraft der Rumpf- und Wirbelsäulenmuskulatur.
Besonders wichtig sind folgende Trainings:
- Krafttraining und Balanceübungen: Kräftigung der Rücken-, Bauch-, Bein- und Armmuskulatur sowie der Sehnen bzw. Bänder, um den Körper zu stabilisieren und das Körpergefühl zu stärken.
- Beweglichkeit: Stretching öffnet den Bewegungsradius und verringert das Verletzungsrisiko.
- Konditionstraining: Eine gute Ausdauer fördert natürlich die allgemeine Leistungsfähigkeit und sorgt für eine bessere Sauerstoffversorgung unseres Körpers.
Was bringt uns nun ein Aufwärmtraining noch und warum ist es so wichtig?
Christian Teusch vom Fallschirmsportzentrum Saar sagte auf der INSITA 2016, dass durch das aktive Aufwärmen eine leichte Erhöhung der Körperkerntemperatur von 37° auf ca. 38-38,5° erfolgt und es somit zu einer höheren Enzymaktivität kommt, sprich eine Geschwindigkeitserhöhung der biochemischen Stoffwechselvorgänge. Außerdem bewirkt die erwärmte Muskulatur eine bessere Durchblutung (Steigerung um ca. 400%) sowie eine bessere Sauerstoffversorgung. Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Mobilisation des Herz-Kreislaufsystems – hier vollzieht sich eine Erhöhung der Herzfrequenz und dementsprechend auch die Menge des zirkulierenden Blutes. Schlussendlich bedeutet dies eine bessere Sauerstoff- und Nährstoffversorgung der Muskulatur und unseres Gehirns.
2. Mentale Vorbereitung
Neben der körperlichen Fitness ist die mentale Stärke entscheidend für einen Sprung. Techniken wie Meditation, Atemübungen und Visualisierung helfen, Stress zu reduzieren und die Konzentration und Reaktionsfähigkeit zu steigern, um Unfällen vorzubeugen. Ein ruhiger, klarer Kopf ist besonders wichtig (vor allem ausgeschlafen zu sein), um in kritischen Situationen schnell und richtig zu reagieren (sensomotorische und kognitive Fähigkeiten).
Grob kann man über das Verletzungsrisiko sagen, dass die unteren Extremitäten zu knapp 70% betroffen sind, sprich Knie und Sprunggelenk wurden als die verletzungsanfälligsten Körperregionen aufgefasst beim Fallschirmspringen, gefolgt von Wirbelsäule, Unterschenkel, Fuß und Schulter.
Fazit
Zusammengefasst kann man sagen: Sportprävention im Fallschirmsport erfordert ein Zusammenspiel aus körperlicher und mentaler Vorbereitung, technischer Sicherheit und kontinuierlicher Weiterbildung. Mit diesen Maßnahmen lassen sich Risiken minimieren und die Leistungsfähigkeit steigern, um diesen geliebten Sport sicher zu genießen. Ein umfassendes Präventionskonzept, das sowohl körperliche als auch kognitive Aspekte berücksichtigt, ist der Schlüssel. Für euren Alltag gilt: Jede Bewegung zählt und habt Spaß dabei – selbst kleine Schritte haben große gesundheitliche Vorteile. Jeder Springer trägt eine persönliche Verantwortung für seine Sicherheit bzw. die seiner Mitspringer – und genau darin liegt der Grundstein für unvergessliche Erlebnisse in der Luft.
In der nächsten Ausgabe Teil 2 mit praktischen Übungen!
Maria Kurze-Eisenschmidt
(Sprunglehrerin, zert. Sportprävention)
Matthias Böning (Sprunglehrer, Sportlehrer)