Vom 01.09. bis 06.09.24 fanden die insgesamt 21. Weltmeisterschaften im Kappenformationsspringen, die 12. Juniorenweltmeisterschaften und sage und schreibe 38. Weltmeisterschaften im Ziel- und Stilspringen in Prostejov (Tschechien) statt. Bei den Kappenformationsspringern nahmen leider keine Teilnehmer aus Deutschland teil. Die deutschen Fahnen vertraten im Ziel- und Stilspringen bei den Frauen die amtierende Doppelmilitärweltmeisterin Oberfeldwebel Tatjana Gustke und bei den Herren der amtierende Stilweltmeister Hauptfeldwebel Elischa Weber, der amtierende Einzelkombinationsweltmeister Feldwebel Robin Griesheimer, der amtierende Militärzielweltmeister Stabsfeldwebel Stefan Wiesner, Hauptfeldwebel Kai Erthel sowie bei den Junioren Feldwebel Samuel Wallrath und Feldwebel Elias Kammer. Letztgenannter sprang sogar in der Männermannschaft mit. Alle hatten das Ziel, am Ende ganz oben zu stehen. Leider konnten die beiden amtierenden Vize-Juniorenweltmeister aus dem Jahr 2022 Zoe Stoll und Mathias Demmler krankheits- und verletzungsbedingt nicht anreisen und somit nicht um die Vergabe der Medaillen eingreifen. Sie alle kämpften gegen 200 Sportlerinnen und Sportler aus 27 Nationen um die begehrten Titel und Medaillen. Großer Favorit waren die Gastgeber, welche die ganze Weltcupsaison dominierten und als amtierende Weltmeister am eigenen Platz sicher auch diesen kleinen Vorteil auf ihrer Seite hatten. Der Organisator scheute wie immer keine Mühen, den Athletinnen und Athleten die besten Voraussetzungen zu bieten, stellte genügend Luftfahrzeuge zur Verfügung und trotz hochsommerlicher Temperaturen fehlte es weder an kühlem Nass noch an kühlen Getränken. Gesprungen wurde im Stilspringen aus der Porter Pilatus und im Zielspringen vertraute man auf die Let-410 und die schon legendäre An-2, aus der bereits bei der ersten Weltmeisterschaft 1952 abgesetzt wurde!!!
Komplettiert wurde die Mannschaft vom Bundestrainer Torsten Kunke und von Sascha Lasotta, der als Videomann für das Stilspringen vom Veranstalter angefragt wurde. Auch Dr. Rainer Hoenle (Exi) als Präsident des ISC sowie Gerhard Wagner (Conan) als Chefschiedsrichter Zielspringen waren mit dabei und trugen ihren Teil zum Gelingen des Wettbewerbs bei.
Während des gesamten Wettkampfes forderten die hohen Temperaturen den Athletinnen und Athleten einiges ab und besonders im Zielspringen überraschte der vermeintlich einfache Platz mit seinen thermischen Ablösungen so einige Springer und wirbelte auch bei den Favoriten das Klassement durcheinander. Bei den Damen konnten die Chinesinnen voll überzeugen und legten einen Start-Ziel-Sieg hin. Oberfeldwebel Tatjana Gustke lag bis zur Halbzeit des Wettbewerbs in aussichtsreicher Position, bevor ihr die Bedingungen einen Strich durch die Rechnung machten und alle Medaillenträume begruben. Im Stilspringen demonstrierten die Frauen aus China einmal mehr ihre Weltklasse und landeten mit sechs Damen auf den ersten sechs Plätzen. Oberfeldwebel Tatjana Gustke landete als beste nicht Chinesin auf dem 7. Platz, was leider nicht in der Endabrechnung in der Einzelkombination zu einer Medaille reichte. Allerdings spiegelte sich diese Dominanz auch im Zielspringen und damit in der Einzelkombination wider und so war das Podium fest in chinesischer Hand. Auch im Mannschaftszielspringen gewann China mit großem Abstand Gold vor der Mannschaft aus Tschechien. Die Bronzemedaille ging an die Schweizer Damen.
Bei den Männern entwickelte sich ein hochklassiges und spannendes Mannschaftszielspringen. Vor der Finalrunde lagen die deutschen Herren mit drei Zentimetern Vorsprung auf Platz zwei in Führung. Verfolgt wurden sie von vier Mannschaften, die alle gleichauf lagen. Doch zunächst mussten die Männer die Halbfinal- und Finalsprünge im Stilspringen absolvieren. Dort ging die chinesische Dominanz weiter. Die amtierenden Welt- und Vizeweltmeister aus Deutschland, Hauptfeldwebel Elischa Weber und Feldwebel Robin Griesheimer, konnten trotz persönlicher Jahresbestleistung nicht in die Medaillenränge eingreifen. Hauptfeldwebel Elischa Weber verpasste nur um 18 hundertstel Sekunden die Bronzemedaille. Alle Medaillen gingen an Springer aus dem Reich der Mitte, die mit atemberaubenden Sprüngen eine neue Qualität präsentierten, die es so noch nie im Stilspringen gegeben hat. Dadurch hatte China natürlich beste Voraussetzungen in der Mannschaftskombination.
Die Finalrunde im Mannschaftszielspringen war an Spannung nicht zu überbieten. Bei anspruchsvollen Wetterbedingungen zeigten die Franzosen und Katarer ihre ganze Klasse und lagen gemeinsam mit Deutschland auf Platz eins, die den Vorsprung nach Runde sieben nicht über den Zielstrich brachten. Tschechien musste mit einem Zentimeter Rückstand mit dem ungeliebten vierten und die Chinesen wiederum mit nur zwei Zentimeter Abstand mit dem fünften Platz vorliebnehmen. Zum ersten Mal in der langen Geschichte des Fallschirmzielspringens lagen gleich drei Mannschaften nach dem Finalsprung gleich auf. Damit mussten die drei Erstplatzierten um die Goldmedaille stechen. Dieser Stechsprung zog sich in die Abendstunden hinein und so musste die deutsche Equipe bei bereits einsetzender Dunkelheit ihren Finalsprung absolvieren. Die Mannschaft aus Katar sprang drei Zentimeter und Frankreich und Deutschland jeweils vier Zentimeter Abweichung vom Mittelpunkt. Damit sicherte sich zum ersten Mal Katar die Goldmedaille im Mannschaftszielspringen. Der nun notwendige zweite Stechsprung um die Silbermedaille zwischen Frankreich und Deutschland wurde auf den Folgetag verlegt. Obwohl die Enttäuschung über die verpasste Goldmedaille allen Sportlern im Gesicht stand, galt es jetzt sich erneut für den nächsten Sprung wieder vorzubereiten. Bei völlig anderen Wetterbedingungen zeigten die deutschen Herren erneut ihre Klasse und setzten sich gegen Frankreich mit zwei Zentimeter Vorsprung durch und sicherten sich damit die Silbermedaille. Lange Grund zur Freude gab es aber nicht, denn gleich im Anschluss begannen die Halbfinal- und Finalsprünge im Einzelzielspringen. Auch hier lagen Hauptfeldwebel Kai Erthel, Feldwebel Robin Griesheimer und Stabsfeldwebel Stefan Wiesner in aussichtsreicher Position. Nach insgesamt zehn Runden konnte sich Stabsfeldwebel Stefan Wiesner erstmalig die Goldmedaille im Einzelzielspringen mit zwei Zentimetern Vorsprung vor Hynek Tabor aus Tschechien und Thomas Jeanerot aus Frankreich sichern. Feldwebel Robin Griesheimer landete auf dem hervorragenden siebten und Hauptfeldwebel Kai Erthel auf dem 18. Platz. Damit gelang Stabsfeldwebel Wiesner das Kunststück, im selben Jahr sowohl bei der Militärweltmeisterschaft als auch der Weltmeisterschaft den Titel in der Einzelwertung zu gewinnen und als amtierender Europameister aus dem Jahr 2023 hält er damit alle aktuellen Titel in seiner Hand. Wahnsinn, das hat es noch nie gegeben! Die beiden deutschen Junioren, Feldwebel Samuel Wallrath und Feldwebel Elias Kammer schrammten denkbar knapp an den begehrten Medaillen vorbei und mussten der chinesischen Übermacht Tribut zollen. Dennoch konnten beide an ihre starken Vorleistungen anknüpfen und sich für weitere Großereignisse empfehlen.
Nun begann das große Rechnen, denn sowohl im Einzel als auch in der Mannschaft galt es den Kombinationsweltmeister zu ermitteln. Auch hier lag Hauptfeldwebel Wiesner ganz vorn und konnte sich damit seine dritte Goldmedaille sichern. Auf Rang zwei folgte ein Chinese punktgleich mit Feldwebel Griesheimer, der aber leider aufgrund der schlechteren Einzelleistung mit der Bronzemedaille vorliebnehmen musste. Aber in der Summe aller Stil- und Zielleistungen konnte sich das deutsche Quintett durchsetzen und den Weltmeistertitel in der Mannschaftskombination gewinnen! Hauchdünn dahinter kam China auf dem Silber- und Frankreich auf dem Bronzerang ein. Was für eine Freude und ein Triumph!
Mit insgesamt fünf Medaillen (drei Gold-, eine Silber- und eine Bronzemedaille) konnte Deutschland einmal mehr seine herausragende Stellung in den klassischen Disziplinen demonstrieren und fuhr als erfolgreichste Nation bei den Männern nach Hause.
Torsten Kunke
(Bundestrainer Klassische Disziplinen Fallschirmspringen)