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  • Geboren am 1. März 1944
  • Letzter Sprung am 28. Oktober 2023
  • Beginn des Fallschirmspringens: 17. September 1976
  • Gesamtsprungzahl: 5.923

Eine Reise, die in einem Traum begann

Ulrich Grude, den die meisten einfach „Uli“ nannten, war bereits in jungen Jahren fasziniert vom freien Fall. Ein prägender Traum begleitet ihn seit seiner Kindheit: Er stand an einem tiefen Abgrund und spürte die Schwerkraft, die ihn in die Tiefe ziehen wollte. Durch komplizierte Bewegungen versuchte er, den Fall hinauszuzögern. Doch schließlich sprang er – und erwachte auf dem Boden neben seinem Bett. Jahre später nahm dieses Traumbild reale Form an, und Uli verwirklichte den Sprung, der ihn ein Leben lang beschäftigen sollte.

Der erste Sprung und der Beginn einer Leidenschaft

Im Alter von 32 Jahren plante Uli gemeinsam mit seinem Bruder eine Reise, die ihn tief in den Fallschirmsport hineinziehen sollte. Ein Katalog von UCPA führte ihn zu einem Angebot für Fallschirmspringen in Bergerac, einer kleinen Stadt östlich von Bordeaux. Die Brüder packten ihre Koffer und begaben sich auf die fast 2000 Kilometer lange Reise. Am 17. September 1976 bestiegen sie eine Antonov An-2 und sprangen mit Rundkappen und automatischer Schirmöffnung – damals die Norm für den heutigen Springer. Für Uli war dieser erste Sprung eine magische Erfahrung. Die Angst, die ihn im Flugzeug noch überwältigt hatte, verwandelte sich in pure Freude.

Angst und Begeisterung – Die frühe Ausbildung in Bergerac

Obwohl er von der Faszination des Fallschirmspringens gepackt war, kämpfte Uli anfangs mit der Angst, die ihn vor jedem Sprung überkam. Doch statt aufzugeben, fand er seinen eigenen Rhythmus: Sobald der Schirm offen war, checkte er sofort die Uhr, um festzustellen, wie viele weitere Sprünge er an diesem Tag schaffen konnte. Das Packen ging ihm dabei schnell von der Hand – eine Fertigkeit, die er in Bergerac verfeinerte, wo das Packen an einem komfortablen Packtisch erfolgte.

Bergerac wurde so zu seinem „Heimatsprungplatz“, auch wenn er später viele andere Plätze besuchte. Es war der Ort, an dem er 1977 bei seinem 16. Sprung erstmals den Schirm manuell öffnete – ein wichtiger Schritt, den er damals als eine Art Prüfstein erlebte. Andere Schüler schafften diesen Meilenstein früher, doch für Uli zählte die persönliche Entwicklung mehr als das Tempo.

Rückkehr nach Deutschland und der Beginn einer lebenslangen Karriere

1980 kam Uli die Idee, in Deutschland zu springen und so die lange Anreise nach Frankreich zu vermeiden. Er trat dem Fallschirmsportclub (FSC) in Berlin bei, auch wenn die Sprünge aufgrund der Beschränkungen in West-Berlin auf einem Flugplatz in Bad Gandersheim stattfanden. Dort sprangen sie unter rustikalen Bedingungen: Ohne Packhalle und ohne Toilette, nur mit einem Acker und einem Zeltplatz. Uli ließ sich davon nicht beeindrucken. Im Gegenteil – diese Herausforderungen stärkten seinen Willen und seine Entschlossenheit, den Sport weiter zu betreiben.

Vom Schüler zum Lehrer und der Pionier der Hochleistungs-Rundkappe

In den frühen 1980er Jahren begann Uli, sich für die Weiterentwicklung des Fallschirmspringens zu interessieren. 1981 sprang er 23 Mal mit dem Para Commander, der eine Geschwindigkeit von 6 m/s erreichte, im Gegensatz zu normalen Rundkappen mit nur 2 m/s. Sein 109. Sprung mit einem Gleitfallschirm führte zu seiner ersten Notfallsituation, die er sicher überstand. 1983 erhielt er seine Lehrerlizenz und begann, Schüler zu unterrichten und abzusetzen, wobei er mit akribischer Präzision als Absetzer agierte, bevor GPS-Systeme die Genauigkeit unterstützten.

Wettbewerbe und die Liebe zur Präzision

In den folgenden Jahren nahm Uli an vielen Wettbewerben teil, spezialisierte sich auf Ziel- und TRAC-Wettkämpfe. Mit seinem Team wagte er sich auch an RAPA-Wettbewerbe, wo die Bundeswehr den britischen Springern einen CH-53-Hubschrauber auslieh. Jeder Wettbewerb war für Uli eine Gelegenheit zur Verbesserung. Nach jedem Teamsprung führte er konsequent einen Zielsprung aus, um seine Fähigkeiten zu verfeinern.

1987, nach rund einem Jahrzehnt im Sport, erwarb er die Tandem-Master-Lizenz und führte in den nächsten 20 Jahren über 800 Tandem-Sprünge durch. Eine Besonderheit Ulis war, dass er fast alle Tandem-Schirme selbst packte – eine Praxis, die zu dieser Zeit üblich war und für Uli zu einem Zeichen handwerklicher Hingabe wurde. Bis heute sind alle Namen seiner Passagiere in seinen Sprungbüchern verzeichnet, eine Erinnerung an die vielen Menschen, die er in die Lüfte geführt hat.

Teamspirit und Weltrekorde – Ulis internationale Erfahrungen

Uli reiste oft ins Ausland, um an großen Wettbewerben und Trainings teilzunehmen. 1988 war er mit seinem RW8-Team „Frisbee“ in DeLand, Florida, und nahm an der Deutschen Meisterschaft teil. Auch wenn das Team den fünften Platz belegte, war das Erlebnis für Uli von unschätzbarem Wert. Ab 1985 verlagerte der FSC seinen Standort nach Höxter, und Uli musste sich auf eine längere Anreise einstellen – doch das war für ihn nur ein kleiner Preis für bessere Bedingungen auf der harten Startbahn.

1989 erwarb er seine AFF-Lehrerlizenz und absolvierte in den folgenden Jahren knapp 300 Sprünge als Lehrer im Accelerated Freefall (AFF). Diese Ausbildung bedeutete ihm viel, auch wenn er wegen seiner Tätigkeit als Professor an der Beuth Hochschule Berlin nur begrenzt Zeit dafür fand. 2002 beendete er schweren Herzens seine Tätigkeit als AFF-Lehrer, doch seine Erinnerungen und Erfahrungen bleiben lebendig.

2018, im Alter von 74 Jahren, nahm Uli an zwei Weltrekorden in Perris Valley, Kalifornien, teil. Gemeinsam mit 25 Springern über 70 Jahren und 66 Springern über 60 Jahren setzte er ein weiteres Zeichen für die Ausdauer und die grenzenlosen Möglichkeiten, die der Fallschirmsport bietet. Auch wenn diese Rekorde inzwischen überboten wurden, bleiben sie ein Zeugnis für Ulis ungebrochene Leidenschaft.

Dank und Abschied von einem außergewöhnlichen Sportler

Seit seinem 2000. Sprung trug Uli stets ein Cypres, das automatische Öffnungssystem, das ihm zusätzliche Sicherheit gab. Er dankt den Erfindern dieses Geräts, Michael Wakob, Dr. Rudolf Hirsch und Helmut Cloth, die mit ihrer Innovation den Sport sicherer machten und ihm viele wertvolle Momente ermöglichten.
Die Fallschirmsportgemeinschaft Berlin / Gransee e.V. und GoJump wünschen Ulrich noch viele weitere erfüllte Jahre und ehren ihn als Mitglied und einen der letzten Pioniere des Fallschirmsports. Seine Verdienste werden in tiefer Erinnerung bleiben.

Danke, Uli, für alles, was du uns gegeben hast

Jeannine Anton

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