Die erste Hürde für die diesjährige Conseil International du Sport Militaire (CISM) Weltmeisterschaft im Fallschirmspringen war die fast zehnstündige Autofahrt. So lange hat die über 800 Kilometer lange Anreise für die deutsche Delegation zur 46. Militärweltmeisterschaft vom oberbayrischen Altenstadt ins ungarische Szolnok gedauert. Insgesamt traten von der Sportfördergruppe der Bundeswehr aus Altenstadt, die einzige Sportfördergruppe für Fallschirmspringen innerhalb der Bundeswehr, eine Sportsoldatin und sieben Sportsoldaten – darunter auch zwei Junioren – in den Disziplinen Ziel-, Stil- und Formationsspringen an. Dabei gab es sowohl Einzel- als auch Mannschaftswertungen. Im Herrenteam gingen Stabsfeldwebel Stefan Wiesner, Hauptfeldwebel Elischa Weber, Hauptfeldwebel Christian Kautzmann, Feldwebel Robin Griesheimer und Feldwebel Elias Kammer an den Start. In der Juniorenklasse starteten Feldwebel Mathias Demmler und Feldwebel Samuel Wallrath. Als einzige Dame komplettierte Oberfeldwebel Tatjana Gustke die deutsche Delegation.
Verletzung überschattet Start
Die Bilanz der Vergangenheit ist beeindruckend. Allen voran drei Weltmeistertitel in der Gesamtwertung der Mannschaft der Männer bei den vergangenen drei Militärweltmeisterschaften. Mit großen Ambitionen peilte das professionelle Team – angeführt von zwei Trainern, beide in der Vergangenheit ebenfalls hochdekoriert als Mannschaftsweltmeister – den vierten Titel in Folge an.
Doch direkt der erste Wettkampfsprung sorgt für einen herben Rückschlag. In der Disziplin Zielspringen, in der ein Punkt im Durchmesser von zwei Zentimetern – in etwa die Größe einer 20-Cent-Münze – so genau wie möglich getroffen werden muss, zog sich der zweite deutsche Springer, Feldwebel Robin Griesheimer, bei der Landung eine schwere Fußverletzung zu. Kurze Zeit später und ohne einen weiteren Sprung die bittere Gewissheit: Er konnte nicht weitermachen und reiste zurück nach Deutschland. Die Gesundheit geht vor!
Die Situation hinterließ bei der gesamten Delegation merkliche Spuren. Nicht nur die bange Frage nach der Gesundheit und den langfristigen Folgen, auch die noch nicht absehbaren Auswirkungen auf die Zusammensetzung der Mannschaft, wie auch die Folgen für die Wertung im Mannschaftswettbewerb beschäftigten alle Beteiligten. Auch bei den anderen Nationen ließen die Reaktionen auf die mehr als unglückliche Verletzung nicht lange auf sich warten. Ganz im Geist von CISM „Friendship through sport!“ gingen umgehend viele Genesungswünsche ein, die Anteilnahme am gesamten Sprungplatz und über Social Media war gewaltig.
Der Verlust wog vor allem menschlich, aber auch sportlich schwer. Durch den bereits begonnenen Wettkampf konnte kein Ersatzspringer das Team komplettieren, wodurch mit Blick auf die Mannschaftswertung die Möglichkeit fehlte, dass das jeweils schlechteste der fünf Sprungergebnisse in den Disziplinen Ziel- und Stilspringen gestrichen wird. Ab jetzt zählte also jeder Sprung.
Auch für das Formationsspringen musste umgebaut werden. Mit Stabsfeldwebel Stefan Wiesner, niemand geringerem als dem Sportsoldaten 2023, übernahm kurzerhand der Kameramann den vakanten Platz in der Formation, einer der Trainer wurde zum Springer mit der Kamera am Helm. Noch nie wurde auch ein einziger Formationssprung in dieser Besetzung absolviert. An Erfahrung mangelte es nicht, allerdings gelangen mit nur kleinen Abstrichen die ersten Formationssprünge auch.
Nach dem Unfall dauerte es etwas, bis der Rest des Teams so richtig im Wettkampf ankam. Der starke Wind sorgte für viele, teils mehrstündige Unterbrechungen. Gleichzeitig erschwerten Temperaturen konstant weit über 30 Grad die Wettkampfbedingungen zusätzlich. Das Team konnte jedoch durch seine langjährigen Säulen und einen starken inneren Zusammenhalt Schritt für Schritt für die Wende sorgen.
Medaillenchancen im Stilspringen der Frauen
Am mittlerweile fünften Wettkampftag standen die ersten Entscheidungen weiter aus. Trotz aller Widrigkeiten waren die Medaillenplätze auch noch in Sicht. Einzig das Stilspringen der Frauen stand bereits kurz vor dem Abschluss, wobei sich ein Paukenschlag andeutete: Oberfeldwebel Tatjana Gustke stand nach vier von fünf Durchgängen hauchdünn ganz vorne. Bereits seit dem ersten Durchgang hatte sie die Führung mit ihren konzentrierten Sprüngen inne.
Der siebte Wettkampftag der 46. Militärweltmeisterschaft im Fallschirmspringen brachte die erste Entscheidung. Mit dem letzten Stilsprung herrschte endlich Gewissheit: Gold für Oberfeldwebel Tatjana Gustke in der Frauen-Stilwertung! Es ist ihr erster Titel, über den sich die 29-jährige Sportsoldatin nach spannendem Live Judging sichtlich emotional freuen kann. 24 lange Jahre musste das deutsche Team auf seine nächste Weltmeisterin warten.
Altmeister in Topform
Im Zielspringen der Männer zeigte Stabsfeldwebel Stefan Wiesner seine ganze Klasse. Nach acht konstanten Sprüngen gewann er mit zwei Zentimetern Vorsprung. Eine unfassbare Zahl steht da nun: 22 Weltmeistertitel. Den Wanderpokal – verliehen seit 1984 – für das beste Ergebnis aller Athletinnen und Athleten im Zielspringen bei einer Militärweltmeisterschaft durfte er bereits zum dritten Mal in Empfang nehmen. Mit Platz sechs im Stilspringen gewann er zusätzlich Bronze in der Herren-Kombinationswertung.
Doppelweltmeisterin
Im Zielspringen der Frauen gelang in der dritten Entscheidung die dritte Medaille. Die frisch gebackene Stilweltmeisterin Oberfeldwebel Tatjana Gustke holte sich den Vizeweltmeistertitel. Sie musste sich lediglich einer chinesischen Athletin geschlagen geben. In der Frauen-Kombinationsauswertung aus Stil- und Zielspringen musste der Tie-Break die Entscheidung für Gold und Silber bringen. Durch einen letzten Stilsprung kürte Oberfeldwebel Gustke sich bei ihren fünften Militärweltmeisterschaften zur verdienten Doppelweltmeisterin.
Routinier und Junioren überzeugten im Stilspringen
Im Stilspringen der Männer wurde Topfavorit Hauptfeldwebel Elischa Weber souveräner Weltmeister. Feldwebel Samuel Wallrath holte sich den Stil-Junioren-Weltmeistertitel. In der Junioren-Kombinationswertung durfte er sich nach gewonnenem Tie-Break zusätzlich über Silber freuen. Das eindrucksvolle Potential des deutschen Nachwuchses unterstrich Feldwebel Elias Kammer mit Platz drei in der Junioren-Stilwertung. In den Einzel- und Einzelkombinationswertungen steht damit eine starke deutsche Bilanz: fünfmal Gold, zweimal Silber und zweimal Bronze
Hochspannung in der Königsdisziplin CISM Overall Male, diese Wertung hat Deutschland bei den vergangenen drei Militärweltmeisterschaften gewonnen. Hier war der vierte Titel in Folge das ganz große Ziel. Doch das überragende Team aus Tschechien war diesmal, mit nur noch vier deutschen Wettkämpfern im Team, nicht zu bezwingen. Gerade im Zielspringen hatte sich das verletzungsbedingte Ausscheiden eines deutschen Springers zu deutlich bemerkbar gemacht. Im Tie-Break sicherte sich das deutsche Männerteam mit einem letzten konzentrierten Formationssprung Platz zwei. Auf diese Silbermedaille dürfen alle wahrlich stolz sein. In der Geschichte der CISM Weltmeisterschaften ist es noch keinem Team gelungen, mit nur vier Wettkämpfern einen Medaillenplatz zu erringen.
Auch in der Organisation stark vertreten
Nicht nur im Kampf um die Weltmeistertitel mischte Deutschland mit. Mit Oberstabsfeldwebel Oliver Vent, seines Zeichens Leiter der Sportfördergruppe der Bundeswehr aus Altenstadt, stellte die deutsche Delegation den Chief Judge (Hauptschiedsrichter). Ebenso wurde das Manifest, also die Koordination rund um den Abruf der Springer, sowie die Videoaufnahme für Stil- und Formationsspringen durch deutsche Soldaten vor Ort in Szolnok unterstützt.
Hauptmann Felix Zimmermann, Oberstabsfeldwebel Oliver Vent
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