In der Juli-Ausgabe des FreifallXPress berichtete Karin vom Team Airbus 8-way Oceanside Illertissen vom Para-TAKEOFF 2.0, das im Juni in Fehrbellin stattgefunden hatte. Dieses gemeinsame Event von und für Fallschirmspringer:innen mit und ohne Behinderung war ein voller Erfolg (save the date: die dritte Ausgabe findet vom 30.05. bis 02.06.2024 in Fehrbellin statt), und so war es kein Wunder, dass dem Team ein erlebnisreicher Sommer bevorstand, in dem Inklusion im Fallschirmsport weiter ins Bewusstsein der Öffentlichkeit gerückt werden konnte.
Den Anfang machte am 9. September eine Einladung des Vereins „Respekt statt Mitleid e.V.“, der auch schon in Fehrbellin zu Besuch war und derzeit in Eigenregie das Strandbad Stienitzsee am Rande Berlins barrierefrei umbaut. Beim Vereins-Sommerfest zeigten Stefan, Schmiddl, Anja und Axel von der DeSi Academy, die auch die Vorbereitung übernommen hatte, mit einem Wassersprung ihr Können und sorgten für viele staunende Gesichter. Auch Brandenburgs Landesbehindertenbeauftragte Janny Armbruster verfolgte das Spektakel.
Nachdem das Gelände begutachtet und das Lande-T am Strand platziert worden waren, ging es per Shuttle zum Flugplatz Strausberg, wo als Absetzflugzeug eine AN-2 bereitstand. Der Absprung erfolgte aus 1.200 Metern Höhe. Kurz nach dem Exit zündete das inklusive Team – bestehend aus jeweils zwei Springer:innen mit und ohne Behinderung – Rauch, um seine Anflugbahnen für das Publikum zu veranschaulichen.
Unterstützung leistete auch die Bodencrew, die gemeinsam mit der DLRG vom Wasser aus mit Rauch das Landegebiet markierte. Die DLRG war es auch, die das Sprungteam nach der Landung mitsamt Ausrüstung schnell, sicher und professionell aus dem Wasser barg.
Nach dem erfolgreichen Tag am Stienitzsee hieß es für das Para-TAKEOFF-Team um Stefan, schnell die Ausrüstung zu packen und zum Trocknen nach Fehrbellin zu bringen. Denn keine 24 Stunden später stand bereits der nächste Demosprung auf dem Programm. Dieses Mal ging es in den Sportpark Luftschiffhafen nach Potsdam zu „Inklusiv gewinnt“. Dies ist ein inklusives Sportfest, bei dem Sportler:innen mit und ohne Behinderung gemeinsam Wettkämpfe in verschiedenen Disziplinen – etwa Rudern, Schwimmen oder (Sitz-)Volleyball – bestreiten. Unser Demosprung führte uns am Nachmittag ins Leichtathletik-Stadion und war eines der Highlights der Veranstaltung unter der Schirmherrschaft von Ex-Eiskunstläuferin Katarina Witt.
War die Sprungcrew mit Stefan, Axel, Anja und Schmiddl die gleiche wie noch am Vortag am Stienitzsee, ging es dieses Mal mit einer Cessna 182 vom Flugplatz Fehrbellin los. Der Absprung erfolgte wiederum aus 1.200 Metern Höhe. Dieses Mal hatte das Team jedoch keinen Rauch dabei, sondern nutzte verschiedenfarbige, am Bein montierte Flirren zur Illustration des Anflugs, der über die nahe Havel erfolgte.
Unter großem Applaus der anwesenden Zuschauer:innen, darunter erneut Brandenburgs Landesbehindertenbeauftragte Janny Armbruster, landete das Team schließlich sicher auf dem Rasenplatz des Leichtathletikstadions, wo das Landegebiet wiederum mit Rauch markiert wurde, und schloss damit das zweite Inklusions-Demo-Event binnen kurzer Zeit erfolgreich ab.
Damit war also dieses actiongeladene Wochenende vorbei, nicht jedoch die ereignisreiche Woche. Mitte September fuhr ich für den DFV gemeinsam mit Ulrike Borngräber, Formationsspringerin und Orthopädin, auf Einladung des französischen Fallschirmsportverbandes FFP nach Gap-Tallard, um dort an einem Training zur medizinischen Klassifizierung von Athlet:innen des Handifly RACE teilzunehmen. Dies ist ein Wettbewerbsformat, das es Menschen mit verschiedenen Behinderungen ermöglicht, sich im sportlichen Wettkampf im Tunnel zu messen. Dabei gilt es, einen aus vier Punkten bestehenden Parcours so schnell wie möglich zu absolvieren. Abhängig von der jeweiligen Behinderung wird im Rahmen einer Begutachtung von Videomaterial sowie der eingereichten medizinischen Dokumentation ein Koeffizient ermittelt, der mit der geflogenen Zeit multipliziert wird, um das Ergebnis zu ermitteln. Je einschränkender die Behinderung dabei für die Flugfähigkeiten ist, desto geringer ist der Koeffizient.
War die Begutachtung im Rahmen der Wettbewerbe bisher vorrangig in der Hand der FFP, auf deren Initiative das Handifly RACE zurückgeht, wurden in Tallard weitere Expert:innen geschult, neben uns auch noch aus Italien und Frankreich. So entstand ein konstruktiver und intensiver Austausch, den wir weiter ausbauen möchten, um eine möglichst differenzierte und damit gerechte Einschätzung der Auswirkung der Behinderung im sportlichen Wettkampf zu erreichen. Ziel ist dabei, eine Klassifikation zu erarbeiten, die der Arbeitsgruppe „Skydiving for Disabled“ der ISC vorgelegt werden kann, um das Handifly RACE beim Weltverband als offizielle Disziplin zu verankern.
Am nächsten Tag fand dann die Handifly Challenge mit 12 Athlet:innen (aus Frankreich, Portugal und Italien) im Windtunnel „On Air“ statt, wo wir Gelegenheit hatten, das Gelernte gleich einem Praxischeck zu unterziehen und unser Wissen zu festigen. Ganz nebenbei konnten wir unser europäisches Netzwerk pflegen, das in den nächsten Monaten sicher noch wachsen wird. Die nächsten Veranstaltungen des Handifly RACE werfen nämlich bereits ihre Schatten voraus: geplant sind Events Ende Oktober 2023 bei AeroGravity in Mailand und im Januar 2024 in der Hurricane Factory in Prag. Und wer weiß, vielleicht sind dann ja wieder deutsche Teilnehmer:innen am Start. Wir werden euch auf jeden Fall auf dem Laufenden halten.
Niki Jaklitsch