Anzeige

HTML Code here

Freitag früh, die Sonne strahlt, es ist angenehm warm. Die
ersten Springer trudeln ein, während die Caravan noch im Hangar steht und bereit ist, uns das ganze Wochenende sicher in die Luft zu bringen. Es ist wie an einem typischen BoogieSprungtag. Wir alle kennen die besondere Atmosphäre solch eines Events und dieses steht dem in nichts nach. Überall bekannte und (noch) unbekannte Gesichter. Die einen unterhalten sich auf Deutsch, die anderen auf Englisch oder verständigen sich mit Händen und Füßen. Irgendwie ein bisschen wie immer. Und trotzdem ist es anders. Es sind ungewöhnlich viele Rollstuhlfahrer am Platz und bei genauem Hinsehen fällt vielleicht eine Prothese auf und es wird erkenntlich, dass das vermeintliche Gestikulieren nicht nur fehlende Sprachkenntnis einer anderen Sprache überbrückt, sondern Gebärdensprache
gehörloser Springer ist. In den Zelten vor der Halle wird nicht mit dem tollsten Schirm oder dem besten Gurtzeug geworben. Stattdessen wird #Respektstattmitleid dort großgeschrieben.

Para-TAKEOFF Organisator Stefan Tripke hat bereits als 16-jähriger mit dem Fallschirmspringen begonnen. Schnell entfachte die Leidenschaft für den Sport, bis 2001 ein schwerer Motorradunfall ihn zwang, mit dem Sport auszusetzen. Jahrelanges intensives Training und die technische Zusammenarbeit mit
Jürgen „Mahle“ Mühling legten den Grundstein, um seit 2015 wieder sicher mit dem Fallschirm unterwegs zu sein. Sein Gurtzeug ist individuell an die speziellen Bedürfnisse angepasst. Über 1000 Sprünge und Besuche internationaler Events später keimte der Wunsch auf, ein Para-Event in Deutschland auszurichten. Dieses wurde 2022 endlich Wirklichkeit und nachdem die Premiere des Events ein voller Erfolg war, stand schnell fest, dass es eine Wiederholung geben würde.

So kamen vom 8. bis 11. Juni 44 Teilnehmer mit und ohne Handicap aus ganz Deutschland und Europa am Sprungplatz Fehrbellin zusammen. Der barrierefreie Sprungplatz bietet den idealen Rahmen für dieses besondere Event. Barrierefrei meint zwar zunächst Rampen, um Stufen zu überbrücken, aber vor
allem auch den Umgang der Springer mit- und untereinander. Berührungsängste existieren nicht, sondern es erfolgt ein interessierter Austausch über etwaige Modifikationen und Technik, die die Ausübung des Sports auch für Springer mit Handicap ermöglichen.

Para-TAKEOFF 2023 setzt ein Zeichen dafür, was in unserem Sport möglich ist. Ein Boogie, der Springer mit und ohne Behinderung zusammenbringt. Ein Wochenende „von den Menschen für die Menschen“ (Mahle) mit Garantie für tolle Sprünge und herzliche Atmosphäre. Das ist gelebte und geflogene Inklusion. Das Orgateam und die Load-Organizer für alle Disziplinen und Erfahrungsstände sorgen dafür, dass jeder Springer perfekt vorbereitet in die Luft kommt. Die einen in Formationsteams, die anderen im Freefly oder beim Winkeln. Je nach Erfahrungsstand in kleinen oder auch größeren Gruppen. ParaTAKEOFF bietet zudem die Möglichkeit, sich in Teams zusammenzufinden, um für die Deutsche Meisterschaft im September zu trainieren. Bereits bei der Indoor-DM wurde dieses Jahr eine Handifly-Demo durchgeführt, bei der ein vorgegebener Parcours abgeflogen wird. Outdoor wird zum ersten Mal die Demodisziplin Handifly stattfinden, bei der Springer mit Handicap im 2er-Formationsspringen antreten.

Während vor der Halle die Lizenzspringer den nächsten Sprung briefen, bekommt im Tandemzelt ein Gast seine Einweisung. Dank der aufwändigen Tüfteleien von Mahle in Zusammenarbeit mit Rainbow und der Universität Dresden können mit dem Handicap-Tandemsystem auch diejenigen einen Tandemsprung machen, die auf einen Rollstuhl angewiesen sind. Es ist das Leuchten im Gesicht der Springer, wenn sie für einen kleinen Moment ihre Lähmung oder Einschränkungen vergessen können, welches alle Mühen wettmacht. Beim Event konnten so elf Tandems für Personen mit Behinderungen durchgeführt werden, wobei nicht alle dieses spezielle System benötigt haben.

Niko, der im Alltag selbst im Rollstuhl sitzt, lernten wir bereits vor wenigen Wochen bei den Vorbereitungen für seinen AFF Level I kennen. An jenem Abend bekomme ich das Video zu sehen und kann mit Sicherheit behaupten, dass von so einem stabilen Exit so manch AFF Lehrer träumen würde … Dieses
Wochenende sitzen wir gemeinsam im Flieger auf dem Weg zu seinem Level VI. Den strahlenden Gesichtern vom Schüler und seinen Ausbildern nach zu urteilen, war es ein rundum gelungener Sprung. Von der butterweichen Landung (da träumt so manch ein Schüler von!) konnten wir uns hingegen selbst
überzeugen.

Als Team AIRBUS 8way hat uns die Anfrage besonders gefreut, ob wir nach unserem Training noch länger bleiben können, um am letzten Tag mitzuspringen. Nachdem die Party am Samstagabend „gelungen“ war (jeder Fallschirmspringer weiß an dieser Stelle, was gemeint ist!), sind wir am Sonntag nicht ganz so früh gestartet, konnten dafür aber im Laufe des Tages noch Sprünge in den Himmel zaubern. Eine tolle 6er Gruppe hatte sich zusammengefunden und war bereit, die Fähigkeiten im Formationsspringen unter Beweis zu stellen. Auch die Frage nach den Exitpositionen war schnell geklärt. Schmiddl hat uns mit Leichtigkeit gezeigt, dass man auch mit/auf nur einem Bein und Prothese super elegant als FrontFloater draußen am Flieger stehen kann. Im Freifall haben etwaige Beeinträchtigungen keine Rolle mehr gespielt. Strahlende Gesichter und gute Laune sorgten schließlich dafür, dass – wir geben es offen zu – ein Mitglied unseres Teams den wohl schönsten Brainlock aller Zeiten hatte: statt das gebriefte Programm durchzufliegen, wurde der letzte Punkt (= ein schönes Gruppenfoto) vorgezogen und sorgte für noch mehr lachende Augen und Bilder, die wir im Kopf abgespeichert haben. Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass wir trotz dieser Unterbrechung noch genug Zeit hatten, die restlichen Punkte ebenfalls zu fliegen.

Beim Packen der Fallschirme sieht man ungewöhnliche (kreative) Pack-Techniken. Da, wo die Hände nicht die Kraft oder Beweglichkeit haben, helfen Klammern aus, um den Schirm zu bändigen und sorgfältig in den POD zu bringen. Während meiner AFF-Ausbildung konnte ich bereits zwei Springerinnen dabei bewundern, wie sie einarmig nicht nur sprangen, sondern auch den Schirm scheinbar mühelos gepackt haben. Für mich als Schülerin schien das die größte Herausforderung zu sein. Jahre später habe ich dann selbst einmal probiert, den Schirm nur mit einer Hand zu packen. Aus „nur sortieren“ wurde ein
„ich schau mal, wie weit ich komme“. Was soll ich sagen, das Video dazu ist von der Kamera in mehrere Dateien gespeichert worden – oder mit anderen Worten: es war nicht gerade der schnellste Packjob von mir. Es hat funktioniert, aber der Respekt ist nur noch größer geworden! Ob ich die Packung dann auch gesprungen bin, lasse ich an der Stelle offen …

Viel zu schnell ging dieses Wochenende zu Ende. Insgesamt wurden 155 Sprünge gemacht, die einmal mehr gezeigt haben, dass „unmöglich nur ein Wort“ ist. Das Feedback der Teilnehmer zeigt, wie wichtig neben dem Springen „Wissenstransfer und Coaching, aber vor allem wieder der persönliche und menschliche Austausch und Kontakt ist.“ (Schmiddl).

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Respekt hier nicht nur groß geschrieben, sondern zu 100 Prozent gelebt wurde. An dieser Stelle ein großes DANKESCHÖN an den Sprungplatz TakeOff Fehrbellin und an alle Helfer, Unterstützer und Sponsoren dieses Events. Ohne euch wäre dieses Event nicht machbar gewesen!

Und wir, die als LOs mitgesprungen sind, haben gelernt, dass ein Brainlock manchmal eben doch zu etwas wunderbar Schönem werden kann – die Fotos im Kopf werden uns bestimmt immer begleiten!

WIR BEDANKEN UNS HERZLICH UND FREUEN UNS SCHON AUF NÄCHSTES JAHR!

Karin Bauch und
Team AIRBUS 8way Oceanside Illertissen

0 Shares

Categories

Anzeige

HTML Code here