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Das ist der am häufigsten gehörte Satz, seitdem ich in der Falschirmbranche arbeite.

HINTERGRUND:

Ich bin Carmen und ich arbeite für Cypres/Airtec seit mehr als 12 Jahren. Ich war nicht von Anfang an ein Fallschirmspringer. Mein Job und auch meine Passion ist BWLer zu sein (ja ganz nutzlos sind diese Personen nicht…;.) – hört sich für die meisten Menschen langweilig an, ich liebe es!! Ich habe mit etwa 30 angefangen zu springen, als ich mich nicht mehr wehren konnte gegen das ständige Drängeln von meinem Chef, es doch endlich mal auszuprobieren. Jeder, der
Helmut kennt, weiß, wie beharrlich er sein kann. Ich dachte mir OK, mach ich halt diesen Sprungkurs, dann werd ich vielleicht in Ruhe gelassen, aber insgeheim wusste ich, dass mir das wohl gefallen könnte. Ich war damals grundsätzlich total ausgefüllt mit meinem Hobby Tauchen, damals auch als Lehrer,
durfte ich sowohl meiner Tochter als auch anderen kleinen Wasserratten das Tauchen beibringen. Super Sache! Ein zweites kosten- und zeitintensives Hobby hätte mich in kürzester Zeit arm und einsam gemacht – dachte ich. 😉
Und was soll ich sagen, ich glaube, ich war seitdem nicht mehr tauchen, bin weder einsam noch arm – also alles richtig gemacht.

In meiner Funktion bei Airtec ist der Begriff Sicherheit permanent präsent. Mehr als alles andere, alles dreht sich nur darum, und der titelgebende Satz verfolgt mich seit meinen ersten zaghaften Versuchen, auf den Sprungplätzen Fuß zu fassen. „Wenn ich jemals das Cypres brauche, höre ich auf mit Skydiving.“

Ich habe den Satz mindestens einmal an jeder Dropzone gehört und höre ihn nach wie vor sehr oft. Anfangs dachte ich, jaaa, die erzählen mir das, um mir als CYPRES-Mitarbeiter mitzuteilen, dass wir eigentlich gar nicht so wichtig sind. Weil es ja Zeiten gab, wo es noch keine Öffnungsautomaten gab. Weil
ja jedem Fallschirmspringer das Verantwortungsbewusstsein, Unfehlbarkeit und Selbstsicherheit quasi bei Geburt mit in die Wiege gelegt wurden und ein solches Backup-System eigentlich nur für den allergrößten Notfall benötigt wird. 😉 Und sollte man es doch „versehentlich“ auslösen, dann ist natürlich aus
Vernunftgründen die absolute Konsequenz eben aufzuhören.

Das hat mich anfangs sehr nachdenklich gemacht, weil Helmut das Cypres erdacht und entwickelt hat, damit die Springer überleben und im Sport bleiben können, selbst wenn ein Fehler passiert. Diese beiden Sachverhalte, die für mich scheinbare „Ablehnung“ eines solchen Gerätes und die dem gegenüberstehende akribische Herangehensweise bei uns in allen Bereichen konnte ich lange Zeit nicht zusammenbringen.

Jetzt aber, nachdem ich einige Springer kennengelernt habe und viele unterschiedliche Verhaltensweisen studiert habe (heimlich still und leise), kann ich die Aussage nachvollziehen. Ich kann verstehen, wieso manche Springer so reden. Wenn man sich selbst nicht mehr sicher genug fühlt, sich heil zu Boden zu bringen, und man denkt, ich kann die Fülle an Eindrücken nicht mehr verarbeiten, die beim Skydiven auf mich einprasseln, dann ist es vermutlich das Beste damit aufzuhören.
Es ist besser, man hat diese Einsicht und entscheidet sich frühzeitig dafür, bevor ein AAD Fire einen in die harte Realität katapultiert. Im schlimmsten Fall sogar noch andere Menschen mit gefährdet. Absolut nachvollziehbar und vernünftig.

Aber auf der anderen Seite, während meiner Zeit hier sind unzählige Saves passiert, bei denen die Leute glücklich waren, dass es uns gibt, dass es unser Gerät gibt, und die weiter erfolgreich und ohne sich zu schämen, einen Fehler gemacht zu haben, dem Sport treu geblieben sind. Und wir bei Airtec freuen uns über jeden glücklich Geretteten.

Trotz alledem fragt man sich natürlich, warum passieren denn eigentlich Cypresrettungen?

WARUM LÖST EIN CYPRES AUS?

Ich habe mich mal durch die Save Reports der letzten drei Jahre gearbeitet, um herauszufinden, was die Gründe für eine Auslösung sind: und ich sage bewusst, Auslösung, weil nicht jede Auslösung auch gleich eine Rettung bedeutet.

Dabei stachen 3 Szenarien bzw. Gründe heraus:

  1. Kein Höhenbewusstsein
  2. Keine Kenntnis über die Ausrüstung
  3. Bewusstlosigkeit oder andere medizinische Probleme

Gegen zwei der Gründe kann jeder was tun.

1. KEIN HÖHENBEWUSSTSEIN

Ich möchte hier ein paar Fälle auflisten, die so oder so ähnlich an uns übermittelt wurden bei einer Cypresauslösung.

1. Schüler/Lehrersituation. Der AFF-Schüler fällt tiefer als der Lehrer, geht in einen Spin, bekommt Panik, der Lehrer braucht zu lange, um den Schüler zu erreichen. Das Cypres feuert bei beiden Personen in angemessener Höhe.

2. Zu späte Hauptschirmöffnung aufgrund geringer Separation nach einer Formation. Andere Springer sind in der Nähe, so dass ein Springer beschließt, den Fallschirm etwas tiefer zu öffnen. Wenn sich der Hauptfallschirm öffnet, feuert der Cypres zusätzlich und löst die Reserve aus.

3. Unerfahrener Springer macht nach dem Exit gar nichts mehr, Schock. Springer mit 80 Sprüngen in den letzten zwei Jahren, verliert komplett das Höhengefühl. Er zieht seinen Hauptschirm nicht und versucht auch sonst nichts. Das Cypres öffnet die Reserve.

4. Zielfixierung. Es gibt ein beeindruckendes Video von zwei Springern aus Argentinien, in dem der Grund für eine CypresAuslösung die Freude darüber war, dass sie sich endlich gefunden haben. Kurz nachdem sie sich das erste Mal an den Händen halten, öffnet sich die Reserve beider Springer. Am Boden in einem Maisfeld schaut einer der beiden immer noch fassungslos mehrmals auf seinen Höhenmesser und kann es nicht fassen, dass er schon gelandet ist. 😉 Ich denke, so gut wie jeder kennt dieses Video und macht sich mehr oder weniger über die beiden Aspiranten lustig. In diesem Fall würde ich fast zustimmen, wenn jemand sagt, diese beiden sollten noch mal ihr Hobby überdenken. Aber ich glaube auch, dass ihnen das danach nie wieder passieren würde (ich hoffe es zumindest). Ohne Cypres wäre es ihr letzter Sprung gewesen. Und wenn es das Video nicht gäbe, würden sich die beiden Jungs wahrscheinlich heimlich einen neuen Cutter besorgen und nie wieder darüber reden.

LEKTION

Ich denke, man kann aus diesen Fehlern etwas lernen, nichts Besonderes, nichts Neues, aber man kann nicht oft genug betonen, dass man die Höhe im Auge behalten muss, IMMER!

VERLASST EUCH NICHT AUF AKUSTISCHE HÖHENMESSER

Ich persönlich schaue auf dem Weg zum Absetzpunkt immer wieder an bestimmten Punkten auf meinen Höhenmesser und gehe die Punkte (Separation, Schirmöffnung …) des geplanten Sprungs in umgekehrter Reihenfolge durch. Was man vor dem Absprung macht, wiederholt man im Sprung. Das ist meine Erfahrung.

Lehrer müssen immer wieder darauf hinweisen, dass die Höhe kontrolliert wird, das muss in den Trainingsszenarien immer
wieder geübt werden. Wiederholung ist langweilig, geht aber dadurch in Fleisch und Blut über. In Stresssituationen wird das automatisch abgerufen.

Notfallprozeduren wiederholen, wieder und wieder und wieder. Für die eigene Sicherheit und um anderen Springern ein gutes Vorbild zu sein. Der coolste Springer wird für irgendjemanden ein Vorbild sein, also sollte man sich auch möglichst so verhalten. Alle, die schon lange im Sport sind, werden mit Sicherheit mit den Augen rollen und sagen, jau, Carmen, du Klugscheißer, wissen wir doch!

Wissen ist aber nicht gleich machen – ich sehe immer wieder Springer, die das eben nicht machen, die sich rumflätzen, sogar einschlafen und hektisch kurz vorm Absetzen noch schnell Gurte festmachen, Helm aufsetzen etc. Kann man auch alles machen, ist aber dann halt kacke. Denn es gibt Menschen, die lassen sich dadurch beeinflussen und vernachlässigen das dann ebenfalls. Ich bin ziemlich sicher, dass es nur extrem wenige Springer gibt, die das Höhenbewusstsein im Blut haben.

2. FEHLENDES WISSEN ÜBER DIE AUSRÜSTUNG

Der zweithäufigste Grund einer Auslösung ist, dass der Springer sich nicht ausreichend mit der Ausrüstung und den mitgeführten Geräten beschäftigt hat.

Das führt leider auch zu Auslösungen unseres Cypres. Nicht direkt natürlich, aber die Ablenkung die dadurch entstehen kann und das Nichtwissen über Einstellungen, die vorgenommen werden sollten oder müssten.
Bei einem unserer Geräte gibt es zwei Punkte, die einigen nicht klar sind. Das C-Mode ist werksseitig auf feet und auf Expert eingestellt. Möchte der Springer einen anderen Modus springen, muss er das Umstellen selbst vornehmen, nicht der Rigger, nicht der Verkäufer, nicht wir.

EIN PAAR AUSZÜGE AUS DEN SAFE REPORTS:

1. Springer mit 56 Sprüngen trennt seinen Hauptschirm ab nach einem Problem bei der Öffnung, er ist nicht in der Lage seinen Reservegriff zu finden. Das Cypres aktiviert dann in entsprechender Höhe.

2. Ein Springer mit 60 Sprüngen springt mit einem ausgeliehenen Gurtzeug. Er hat eine harte Öffnung und trennt den Hauptschirm ab, versucht dann den Reservegriff zu finden, der aber ein wenig höher ist als an seinem eigenen Rig. Er versucht es weiter, bis das Cypres die Reserve öffnet.

3. Vollständiger Report eines Springers, der ebenfalls ein geliehenes Gurtzeug springt: “Ich hatte eine Öffnung der Reserve, bedingt durch eine CYPRES-Aktivierung während der Landephase mit meinem Hauptfallschirm. Ich flog eine 450er Kurve zusammen mit einem anderen Fallschirmspringer. In der Endphase wurde ich versetzt und setzte meinen Flug an ihm vorbei fort. Am Ausgang der Kurve in etwa 2 m Höhe aktivierte das Cypres und der
Freebag kam heraus. Ein paar Sekunden später öffnete sich die Reserve, hatte aber keine Zeit, sich zu füllen. Als ich die Kappe untersuchte, spürte ich einige Turbulenzen (aufgrund des Ausstoßes des Freebags und des Rettungsschirms, die ich zu korrigieren versuchte, um dann richtig zu landen). Ich landete etwa 30 m weiter weg als der Schirm. Meine Erfahrung beträgt etwa 2200 Sprünge. Ich habe nicht das Gefühl, dass ich die Arbeitsgeschwindigkeit des CYPRES erreicht
habe. Die Öffnung war, als ich meine Kappe bereits flach gemacht hatte und die Flugrichtung horizontal war. Normalerweise fliege ich eine Leia 73 mit einem
Cypres Speed, aber ich springe seit einem Monat leihweise mit diesem Schirm und habe bis zu diesem Vorfall 23 Flüge absolviert.”

Zusätzliche Informationen: Der Springer sprang mit dem Gurtzeug eines Freundes, und das installierte Cypres ist ein C-Mode, aber nicht auf Speed (kalibriert für Hochgeschwindigkeitslandungen) eingestellt, sondern auf Expert (Standard) Mode. Leider trügt das Gefühl oft, man kann eine Geschwindigkeit
oder Höhe nicht aus Eindrücken abschätzen. Manchmal bin ich selbst auch davon überzeugt, dass mein Bauchgefühl richtig ist, aber nach einer Überprüfung aller Fakten muss ich dann demütig zugeben, dass es wohl doch falsch war.

LEKTIONEN

Auch hier gibt es einige Dinge die man sich merken sollte, egal wie erfahren man ist. Überprüfe immer deine Ausrüstung vor jedem Sprung, besonders wenn sie geliehen oder unbekannt ist. Probiere die Ausrüstung an, präge dir genau ein, wo die Griffe sind, mache einen Testsprung mit neuen Schirmen, mit neuem Gurtzeug mit viel Zeit während des Sprungs, um sich damit anzufreunden, wo sind mitgeführte Gegenstände, das Kappentrennmesser, wo befindet sich das Cypres, ist es richtig eingestellt.

Lies die Bedienungsanleitungen deiner Ausrüstung noch einmal durch, wenn nötig auch mehrmals. Frag die Trainer oder Ausbilder, wenn etwas unklar ist, oder ruf die Hersteller an. Habe so viel Wissen wie möglich und so gut es geht alles unter Kontrolle. Überprüfe, wo sich deine Griffe im Flugzeug, im freien Fall
und unter der Kappe befinden – besonders bei einem “normalen” Sprung. Dann wissen die Augen und Hände im Notfall instinktiv, wohin sie gehen müssen.
Trainiere EPs und wiederhole, wiederhole, wiederhole.

3. BEWUSSTLOSIGKEIT UND/ODER MEDIZINISCHE PROBLEME

Medizinische Probleme sind der dritthäufigste Grund für eine Cypres-Auslösung, wie die folgenden Beispiele zeigen.

1. Das Cutaway Pad wird bei einem Front Float Exit abgetreten.Der Springer öffnet seinen Pilotchute, der den Hauptschirm ausklinkt, während sich die Tragegurte lösen. Es wird kein Versuch unternommen, weitere Griffe zu ziehen. Der Springer ist überzeugt, dass er sterben wird und steuert auf das Wasser
zu, als der Cypres ausgelöst wird.

2. Bei einem 6-Way-Tracking ist ein Fallschirmspringer nach einer Kollision bewusstlos, das Cypres löst die Reserveöffnung aus. Er landet, immer noch bewusstlos, in einem Baum.

3. Ein Fallschirmspringer verlässt ein noch im Steigflug befindliches Flugzeug und prallt gegen den Stabilisator. Die Fallschirmspringerin ist sofort bewusstlos und befindet sich im freien Fall, bis das Cypres auslöst. Sie wacht einige Minuten nach der Landung wieder auf.

4. Ein erfahrener Fallschirmspringer kugelt sich im freien Fall die rechte Schulter aus. Er denkt über seine Notfallmaßnahmen nach und beschließt, dass Cypres seine letzte Chance ist. Er macht keinen Versuch, den Rettungsschirm mit der linken Hand zu ziehen.

LEKTIONEN

Diese Fälle beschreiben für mich tatsächliche Rettungen, weil solche Situationen manchmal vorkommen. Man kann jedoch eine mögliche Katastrophe abwenden, wenn man sich an einige Dinge erinnert:

Die Kommunikation zwischen allen Springern und dem Piloten sollte gut funktionieren.

Kenne deine eigenen Grenzen und überfordere dich nicht mit einem Sprung.

Vergewissere dich, dass du geistig und körperlich fit bist. Wenn du dich nicht wohl fühlst, solltest du nicht springen. Einfach auch mal Nein sagen, sich nicht dem Druck der anderen Springer beugen.

SCHLUSSFOLGERUNGEN

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass wie im Leben allgemein, so auch beim Fallschirmspringen, Fehler passieren werden. Sie können dumm sein oder nicht, tödlich oder unbedeutend, eine Verkettung von unglücklichen Zufällen oder einfach Pech. Wir können immer aus ihnen lernen. Aus all den Fehlern, die gemacht wurden und immer noch gemacht werden, kann jeder Einzelne und besonders die Unternehmen ihre Schlüsse ziehen und sich weiterentwickeln. Ohne AADs wären wahrscheinlich viele Menschen einfach gestorben, ohne dass jemand verstehen und nachvollziehen konnte, was passiert ist und warum ein Fehler aufgetreten ist. Ein Satz, den mir meine Freunde und Arbeitskollegen Regina und Jupp besonders zum Anfang meiner Springerkarriere häufiger mitgeteilt haben, mit erhobenem Zeigefinger und so ganz wissend schauend. Und damit haben sie absolut recht. 😉

„LERNE AUS DEN FEHLERN ANDERER, DU KANNST NICHT LANGE GENUG LEBEN, UM SIE ALLE SELBST ZU MACHEN.“

Und wenn dein CYPRES wegen eines wirklich richtig megadummen Fehlers ausgelöst hat, musst du dich einfach der ganzen Skydiving-Community aussetzen und dich schämen, die Lacher kassieren, die missbilligenden Gesichter ertragen.
Alles ist besser, als zu sterben oder mit dem Fallschirmspringen aufzuhören. Und wenn niemand diesen dummen Fehler mitbekommen hat, dann rufst du mich an, ich verkaufe dir heimlich einen neuen Cutter und sage es niemandem. Aber lachen werde ich wahrscheinlich ebenfalls … 😉

Carmen Hübner

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