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Uralt und brandaktuell
Alle, die schon einmal über dem letzten existierenden Weltwunder der Antike, den Pyramiden von Gizeh in Ägypten, gesprungen sind, sind sich einig, dass dies der Sprung ihres Lebens war. Auch wenn die Pyramiden schon seit etwa 4600 Jahren stehen und man sich somit eigentlich nicht beeilen müsste, wenn man dort springen möchte, ist es aber dennoch etwas, was man verständlicherweise so schnell wie möglich tun möchte.
Es gibt momentan sogar drei Anbieter, die Sprünge über die Pyramiden von Gizeh und anderen coolen Orten in Ägypten anbieten. Skydive Egypt mit seiner Veranstaltung “Spread the Wings” ist zwar der neueste Anbieter dieses Trios, legte jedoch eine fulminante Auftaktveranstaltung mit deutscher Beteiligung sowohl beim Staff als auch bei den Teilnehmern hin.
Willkommen in Ägypten
Während einige Fallschirmspringer es vorziehen, bei analogen Events im Auto oder Zelt am Sprungplatz zu übernachten, wählte der Veranstalter ein schönes 5-Sterne-Hotel. Anstelle des üblichen Briefings in einem nicht gerade sauberen Schulungsraum wurde das Briefing hier in einem großen Ballsaal abgehalten. Die Unterbringung in einem so guten Hotel hatte allerdings auch einen entscheidenden Nachteil. Aufgrund der großen und leckeren Buffets am Morgen und am Abend bemerkten einige Springer, dass ihre Sprungkombis um die Taille herum zu schrumpfen begannen.
Da es bei den Pyramiden nur einen Hubschrauberlandeplatz gibt, wurden die Teilnehmer in Bussen, die schön mit Fallschirmsprungszenen beklebt waren, zu einem Militärflugplatz in der Nähe von Kairo gebracht. Sobald man aus dem Bus stieg, war der Transfer durch den interessanten Verkehr von Kairo sofort vergessen, denn die Hercules C130, das Flugzeug für die Veranstaltung, bot einen überwältigenden Anblick. Der Sprung aus einem Flugzeug, das locker die dreifache Menge an Springern schluckt als eine Skyvan, ist ein ziemlich intensives Gefühl. Die hydraulische Öffnung der großen Heckrampe ist dann der nächste Eindruck, der sich für immer in das Gedächtnis einprägt. Ganz zu schweigen von der Aussicht auf das Stadtgebiet der Region Kairo mit seinen 19,3 Millionen Einwohnern.
Die Load-Organizer
Hinter der Rampe wartete ein Luxusproblem auf die Teilnehmer. Skydive Egypt hatte das wohl beeindruckendste Aufgebot an Organisatoren eingeladen, das jemals durch den ägyptischen Himmel geflogen ist. Dan Brodsky-Chenfeld, Martial Ferré und Doug Barron für die Bauchflieger. Die “vertikale” Fraktion bekam im wahrsten Sinne des Wortes eine wunderschöne Auswahl an LO´s, denn Domi Kiger und Alethia Austin kümmerten sich um die Freeflyer. In der sehr flachen Flugsektion vervollständigten die revolutionären Wingsuiters Marine und Vincent Descols die Organisatorenriege, während die hochkarätige Kameracrew aus Adrian Daszkowski, Gustavo Cabana und Ralph Wilhelm bestand.
Springen über die Pyramiden
Wie gesagt, da gab es ein kleines „Luxusproblem“. Angesichts des Anblicks, der am Ende der Rampe auf die Springer wartete, waren einige versucht, einen Solo-Bauchsprung zu machen, um erst den Blick auf das riesige Flugzeug und dann den gigantischen Blick auf die Pyramiden zu genießen. Die Organisatoren haben sich dieses “Problems” angenommen, indem sie einfache Sprünge mit wenigen Punkten brieften, um den Springern genügend Zeit zu geben, sich umzusehen. Während die Organisatoren bei jedem Bigway auf der ganzen Welt, egal ob Bauch-, Headup- oder Headdown-Sprung, Mantra-artig den Teilnehmern den Satz “Schaut nicht von der Basis weg” einhämmern, gab Dan BC den Teilnehmern die Erlaubnis, sich im freien Fall vor allem nach unten umzusehen. Allerdings konnte man in diesem Moment in seinem Gesicht lesen: “Habe ich das wirklich gesagt?” Jedenfalls gibt es ein Video, das beweist, dass der Meister der Großformation selbst im freien Fall nach unten geschaut hat, um die wirklich einmalige Aussicht zu genießen.
Unter dem offenen Fallschirm ging der absolut überwältigende visuelle Input weiter. Da sich der Landeplatz direkt neben den Pyramiden befand, mussten die Teilnehmer aufgrund der Anflugeinteilung den Gegenanflug entlang einer der Pyramiden fliegen. Die Gesichter aller Springer nach der Landung lassen sich nur mit einem Wort beschreiben: unbezahlbar. Die Freude und der überwältigende optische Eindruck, den der Sprung den Teilnehmern vermittelte, wurde von den meisten einfach als der Sprung ihres Lebens beschrieben.
Vincent Descols, der Erfinder des Wingsuit-Tandems, führte den ersten Wingsuit-Tandemsprung in Ägypten überhaupt durch. Er machte auch einen tiefen Vorbeiflug mit seinem Wingsuit zwischen den Pyramiden und hing schließlich, im wahrsten Sinne des Wortes mit Domi Kiger ab. Dabei flog Vincent seinen Wingsuit und war mittels eines 20 Meter langen Seiles mit Domi verbunden, die unter ihm hing/flog.
Springen in Luxor
Während für einen Teil der Gruppe das Abenteuer nach den Sprüngen über die Pyramiden endete, hatte ein anderer Teil zusätzlich Sprünge in Luxor gebucht. Hier wurden die Springer auf eine harte Probe gestellt, denn es galt um 6 Uhr morgens einen Inlandsflug von Kairo nach Luxor zu nehmen. Das Hotel, ebenfalls ein 5-Sterne-Hotel, lag auf einer Insel inmitten des Nils, was zu wunderschönen Sonnenuntergängen und noch mehr Sprungkombi-verengendem Essen führte.
Der erste Sprung fand über einer Insel im Nil statt, wobei man einen tollen Blick auf die riesige Tempelanlage in Luxor hatte. Der Militärhubschrauber, ein Mil Mi-17, lässt sich am besten als Skyvan mit einem Rotor beschreiben. Der größte Unterschied zu einer Skyvan ist neben dem Antrieb die entfernte Heckklappe. Als die Piloten im Tiefflug über die Stadt flogen, hatten die Springer einen fantastischen Blick auf die Stadt Luxor und die Tempelanlage.
Der zweite Sprung erfolgte über der antiken Begräbnisstätte der ägyptischen Pharaonen, dem Tal der Könige und dem Hatschepsut-Tempel. Da beide Stätten bereits am Vortag bei der Erkundung des Landeplatzes besichtigt wurden, hatten Domi Kiger und Marine Descols die Idee für ein witziges Video. Für einen gemeinsamen Wingsuit-Tandemsprung verkleidete sich Domi als altägyptische Königin Hatschepsut und Vince als Gott Horus. Mit direkter Landung am Hatschepsut-Tempel.
Der Kauf des Kleides in einem örtlichen Bazar und das Feilschen mit dem Verkäufer ist eine weitere erzählenswerte Geschichte, würde aber den Rahmen dieses Artikels sprengen. Während das Tandempaar eher langsam ankam, kam Adrian Daszkowski, der nicht nur ein erfahrener Kameraflieger, sondern auch ein wettkampferfahrener Canopy-Pilot ist, bei der Landung direkt vor dem Tempel ziemlich heiß rein.
Und jetzt?
Der Fallschirmsprung über den Pyramiden von Gizeh war, da sind sich alle Teilnehmer einig, ein einmaliges Erlebnis und etwas, das man so schnell wie möglich von seiner Bucket List abhaken möchte. Die nächste Gelegenheit, seine Flügel über 4600 Jahre Geschichte auszubreiten, bietet sich zwischen dem 26. Mai und dem 10. Juni 2022. Weitere Informationen sind auf der Website von Skydive Egypt zu finden.

Ralph Willhelm

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