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North Carolina, Februar 2019. Mein Teamkollege kommt nach Runde 1 der US-Meisterschaften im Indoor-Skydiving die Treppe herunter und ruft mir zu: „Wenn‘s kein Übertragungsfehler ist, haben wir den Golden Knights gerade einen Punkt abgenommen.“

Ich bin dem National-8er der USA bei meinem WM-Debut in Russland 2010 zum ersten Mal begegnet. Wir waren auf derselben Hoteletage untergebracht, und jeden Morgen haben uns diese Weltklassespringer höflich und mit freundlichem Gesicht begrüßt. Dies löste bei mir eine intensive Fanbeziehung zum Team der Golden Knights aus, vergleichbar mit der eines Fußballfans zu seinem Lieblingsverein. Zwar verlor das Team, dessen Mitglieder sämtlich Angehörige der US-Streitkräfte sind, die WM 2010 gegen die Equipe aus Frankreich, danach gewannen sie aber bei all ihren internationalen Auftritten Gold, so auch bei den Weltmeisterschaften 2012, 2014, 2016 und 2018.

Die Liebe zum 8er-Springen ereilte mich gleich bei meinem ersten Versuch anlässlich der norwegischen Meisterschaften 2007. Da aber weder in Norwegen noch in meiner jetzigen Heimat Dänemark hinreichend viele motivierte 8er-Springer zu finden waren, musste ich mich erst einmal zehn Jahre lang mit 4er-Springen begnügen. Dann las ich auf Facebook eine Nachricht, in der mein schwedischer 4er-Kontrahent vergangener Tage seine Erlebnisse mit einem internationalen Indoor-8er-Team teilte. Ich schrieb sogleich zurück und fragte, ob sie einen Slot für mich hätten. Der Zufall wollte es, sie hatten. Ich hatte Glück und war zur rechten Zeit am rechten Ort.

Das Team stand kurz zuvor beim jährlichen Indoor-Wettbewerb im Paraclete XP Tunnel gemeinsam mit den Golden Knights auf dem Podium. Dieser Tunnel befindet sich in Raeford im US-Bundesstaat North Carolina, und damit in unmittelbarer Nachbarschaft zum Fort Bragg, der Homebase der Golden Knights. Also erkannte ich die Chance auf etwas richtig Cooles, nämlich neben meinem Lieblingsteam auf dem Treppchen stehen zu können. Noch im Herbst desselben Jahres 2017 begann ich mit dem Team Véloce QRF zu trainieren, und im Februar 2018 reisten wir nach Raeford zum Intensivtraining mit anschließender Teilnahme an der Paraclete XP Tunnelcompetition. Mein Team erreichte denselben Schnitt wie im Jahr zuvor, was – zumindest für mich – okay war, denn immerhin ersetzte ich einen mehrfachen Weltmeister. Weniger okay war allerdings, dass der Schnitt nicht mehr für einen Platz auf dem Treppchen reichte, denn mit dem 8er aus Katar nahm ein weiteres Weltklasseteam am Wettbewerb teil. Wir wurden nur vierte.

Dieses Jahr waren die gleichen Teams am Start, also mit Paraclete XP, den Kataris und den Golden Knights abermals drei Profiteams. Folglich war die Aussicht auf eine Medaille völlig unrealistisch, das Ziel konnte einzig darin bestehen, den Schnitt aus dem Vorjahr deutlich zu übertreffen.

Wir starteten gut in den Wettbewerb, hatten eine flüssige erste Runde und ich bereitete mich gerade auf die nächste vor, als ich den Satz vernahm: „Wenn’s kein Übertragungsfehler ist, haben wir den Golden Knights gerade einen Punkt abgenommen.“ Ich hatte sofort Gänsehaut am ganzen Körper und konnte nicht an die Richtigkeit der Zahlen glauben. Aber sie stimmten. Und dann geschah das Unmögliche. Wir schlugen sie in Runde zwei abermals. Und in Runde drei. Und in Runde vier und fünf. Dann erst nahmen sie uns die sechste Runde ab. Bis dahin hatten wir fünf Punkte Vorsprung, und ich rief alle erlernten Techniken ab, die ich mir als Wettbewerbsspringer über die zwölf Jahre angeeignet habe, nämlich die Emotionen zu unterdrücken und mich voll auf den nächsten Sprung zu fokussieren. Das war nicht einfach, funktionierte aber. Und zwar ganz offensichtlich auch bei allen anderen aus meinem Team, denn in Runde sieben stellten wir mit 32 Punkten einen neuen Teamrekord auf und verdoppelten den Vorsprung auf zehn Punkte. Nach Runde acht, in der wir 31 Punkte erzielten, war der Vorsprung gar auf 17 Punkte angewachsen. Der erste Wettbewerbstag war zu Ende, die beiden Teams Paraclete XP und Katar waren deutlich vor uns, aber wir lagen vor den Golden Knights.

Man soll ja während eines Wettbewerbs noch nicht an dessen Ausgang denken, aber ich habe international noch kein Team erlebt, das in zwei Runden 17 Punkte abgibt. Nachts lag ich in meinem Bett, noch ziemlich benommen von einem heftigen Infekt wenige Tage zuvor, und fragte mich, ob das gerade Wirklichkeit war oder doch nur ein Traum, was ich da gerade erlebt hatte. Viel geschlafen habe ich nicht in dieser Nacht, und ich könnte mir vorstellen, dass es einigen meiner Teamkameraden ähnlich ging.

Am nächsten Morgen gelangen uns zwei einigermaßen ordentliche letzte Runden und wir schlossen den Wettbewerb mit einem Schnitt von 23,3 Punkten ab, mehr als die Golden Knights, die auf 21,3 kamen. Dazu muss man wissen, dass wir bei einem Wettbewerb im Dezember in Frankreich 20,7 erreicht hatten. Das wäre also zu wenig gewesen.

Den Traum, gemeinsam mit den Golden Knights auf dem Treppchen zu stehen, habe ich also nicht verwirklichen können. Dafür habe ich etwas erlebt, das ich mir nicht einmal im Traum habe vorstellen können: sie im Wettbewerb zu besiegen. Dabei bin ich mir vollkommen der Tatsache bewusst, dass sich die Knights gerade im Totalumbau befinden und weit von ihrer Topform entfernt agieren. Gleichwohl, es war ein erlesenes Teilnehmerfeld, und Glück bzw. Timing gehören nun einmal zum Sport dazu. Dazu natürlich auch die Fähigkeit, die sich bietende Gelegenheit zum eigenen Vorteil zu nutzen. Ich war zur rechten Zeit am rechten Ort. Wieder einmal.

Verdammt, hat das Spaß gemacht! 

Kjetil Nordin

Fotos: Elliot Byrd

Foto: Elliot Byrd

Stehend v.l.n.r.: Martial Ferré (F), Henning Stumpp (D), Jérôme Héritier (CH), Uwe Soppa (D), Kjetil Nordin (NOR)
Davor v.l.n.r.: Seth Ericson (SWE), Petra Bärenfänger (D), Paul Hofstee (NL)

PS: Der Artikel wurde Ende März 2019 im norwegischen Fallschirmmagazin publiziert und mit Genehmigung des Autors für den FFX übersetzt, denn zum 8er-Team Véloce QRF, das unter der Anleitung des mehrfachen Weltmeisters im 4er- und 8er-Formationsspringen Martial Ferré (F) steht, gehören auch drei Deutsche. Bei diesen reicht die Verehrung für die Golden Knights schon weit ins letzte Jahrtausend zurück, als das Team regelmäßig ganz oben auf dem Weltmeister-Treppchen zu bejubeln war, allerdings stets von etwas weiter weg.

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