Gedanken einer Packerin

von Martina Weber, Fallschirmsport Dädalus, Eisenach

Wer hat als Hauptschirmpacker nicht schon mal Sätze gehört wie: „Das war aber eine harte Öffnung“ oder „ich hatte eine 90-Grad-Öffnung“ oder „ich war 6 Mal eingedreht“…

Liebe Fallschirmspringer, die ihr hin und wieder euren Fallschirm von Dritten packen lasst: Zuerst einmal sei gesagt, Packer sind auch nur Menschen und Menschen machen hin und wieder Fehler. ABER: Ich wage zu behaupten, dass in den meisten Fällen das Pull-Verhalten des Springers eine entscheidende Rolle gespielt hat.

Jeder sollte sich im Augenblick des Öffnungsverlaufes mal genau beobachten: Liege ich wirklich neutral, mache ich keine Vorwärtsfahrt mehr, ziehe ich nicht aus einer Drehung heraus, hebe ich direkt nach dem Pullen die Arme, um in die Tragegurte zu greifen … All dies sind Impulse, die den direkten und geraden Verlauf des POD beeinflussen können und werden. Allein eine unsaubere Ausgleichsbewegung beim Ziehen kann dazu führen, dass eine neutrale Lage nicht mehr gewährleistet ist und sich direkt auf den Öffnungsverlauf des Fallschirmes auswirkt. Dreht man sich mit dem Oberkörper beim Zieh-Vorgang leicht, kann dies dem POD bereits einen Impuls geben, der ausreicht, um den Hauptschirm einzudrehen.

Wer schon mal eine „90-Grad-Öffnung“ moniert hat, dem sei gesagt: Es ist technisch unmöglich, eine 90-Grad-Öffnung beim Packen bewusst zu produzieren. Eine 180-Grad-Öffnung ist durchaus möglich, aber kein Packer tut dies vorsätzlich. Ich kann mich an ein Gespräch mit einem Springer erinnern, der mir nach der Landung ganz aufgeregt berichtete, dass er während der Schirmöffnung eine 45-Grad-Drehung nach links hatte, dann hat der Schirm gestoppt und daraufhin ging es 360 Grad nach rechts weiter. Dies kann durchaus durch wechselnde Luftströmungen oder eine entsprechende Körperhaltung passieren, hat mit der Packweise aber nichts mehr zu tun.

Eine andere erzählte Geschichte: Wenn der Slider runterkommt, dann taucht der Schirm immer nach rechts weg. Auf meine Frage, wie schnell er denn nach oben in die Tragegurte greift, kam seine Antwort: Sofort, nachdem ich gepullt habe. Wer kann schon von sich behaupten, dass seine Bewegungen zu diesem Zeitpunkt, nach dem Abbremsen aus ca. 200 km/h ruhig und komplett symmetrisch sind, wenn man blind nach oben greift? Da ist nur verständlich, wenn man sofort in die Tragegurte greift, dass der Schirm eine gewisse „Dynamik“ entwickelt.

Immer wieder kommt die Frage auf, wenn ein Springer seinen Schirm von einem Dritten hat packen lassen und im nächsten Sprung eine Fehlöffnung mit Reserveaktivierung folgt, dann muss doch der Packer den Reservepackjob bezahlen. Dazu sei Folgendes gesagt: Beim Packen eines Hauptfallschirmes für einen anderen Springer kommt ein ganz normaler „Vertrag“ über eine Dienstleistung zustande. Springer A nutzt die Dienste von Person B für das Wiedereinpacken seines Sprungfallschirmes. Selbstverständlich geht man davon aus, dass Person B mit der Materie ausreichend vertraut ist und die Packung sauber und sicher ausführt; es liegt aber völlig im Ermessen von Springer A, sich davon zu überzeugen, ob dies auch zutrifft und Person B qualifiziert und geeignet ist, diese Tätigkeit sicher auszuüben.

WICHTIG: In allen genannten Fällen (außer bei grob fahrlässiger oder vorsätzlicher Handlung) bleibt die gesamte Verantwortung für Vorgänge und Ereignisse die aus dieser „Fremdpackung“ resultieren, vollständig beim „Auftraggeber“, also Springer, Tandem-Pilot, Sprunglehrer …

Beim Packen eines Schirmes gibt es schon einigen Spielraum, eine Öffnung „angenehm“ zu machen. Bspw. ist es möglich, bei einem Schirm, der von Grund auf etwas schneller und ruppiger öffnet, durch einige Tricks die Öffnung etwas langsamer und angenehmer zu gestalten. Im Gegensatz dazu kann man bei einem Schirm, der eher dazu neigt, sich bei der Öffnung etwas Zeit zu lassen, den Öffnungsverlauf beschleunigen.

Manche Springer sind mit dem Packen des eigenen Schirmes überfordert, es haben sich im Laufe der Jahre falsche Handgriffe eingeschlichen oder es werden wichtige Dinge schlichtweg nicht mehr beachtet. Wenn ich mit interessierten Augen durch die Packhalle gehe und manchen Springern beim Packen zuschaue, wundert es mich nicht, wenn sie über schlechte Öffnungen klagen, die sie selbst gepackt haben. Da beobachte ich, wie Springer ganz akribisch ihre Zellen und Leinen sortieren, um dann beim Ablegen des Schirmes weit ausholend diesen laut auf den Boden klatschen lassen. Toll, das ganze schöne Sortieren haben sie genau damit wieder kaputt gemacht. Auch ein Reinquetschen des Schirmes in den POD, wo dieser ganz merkwürdige Formen annimmt, nur nicht so, wie er geschnitten ist, macht die Öffnung unkalkulierbar. Über viele Dinge machen sich Springer beim Packen keine Gedanken, die alle für sich wichtig für eine gute und saubere Öffnung sind und im Ganzen sogar zu einer Fehlöffnung führen können.

Ein paar Beispiele:

  • Bremsen setzen: Konzentriert und sauber; nicht währenddessen mit dem Nachbarn über den Sprung sprechen.
  • Slider komplett entreffen: Der Slider hat die Aufgabe den Öffnungsstoß zu verringern. Tut man dies nicht komplett, kann die Öffnung schnell und hart sein.
  • Hilfsschirm spannen/entkollabieren: Den Hilfsschirm komplett spannen und dies am besten mehrmals, nach dem Sortieren und Ablegen und zusätzlich, bevor man den POD in das Gurtzeug setzt. Auch das Falten des Hilfsschirmes und Verstauen in der Tasche unter dem Gurtzeug sollte sauber und ordentlich erfolgen und nicht sinnlos reingestopft werden.
  • Schirm sortieren: Den Schirm sauber sortieren, den Stoff zwischen den Leinen rausstreichen und darauf achten, dass alle Leinen in der Mitte sind, den Slider in der Regel geviertelt legen. Beim Ablegen darauf achten, dies vorsichtig und sanft zu tun. Den Schirm sauber in den POD zu falten und nicht reinzuquetschen nach dem Motto: „Der Schirm wird ja schon von selber aufgehen.“
  • Einschlaufen der Leinen: Leinen ordentlich einschlaufen. Durch die Ösen das Packgummi immer nur einfach um die Leinen legen, nie doppelt. Beim weiteren Einschlaufen die Augen der Leinen nicht zu groß machen, so dass sie nicht zu weit über den Rand des POD hinausragen. Die letzte Überlänge bis zu den Tragegurten nicht zu kurz, eher etwas länger im ca. 45-Grad-Winkel auf den Boden des Gurtzeuges legen.
  • Loop: Wenn man denkt, eigentlich könnte ich mal wieder einen neuen Loop gebrauchen, ist es in den meisten Fällen bereits dringend nötig. Auch die Länge des Loops ist immer wieder ein wichtiger Punkt. Zu wenig Packdruck erhöht das Risiko einer ungewollten Hauptschirmaktivierung. Wenn ihr unsicher seid, fragt einfach den Packer oder Rigger eures Vertrauens.

Abschließend bleibt zu sagen:

Wer sauber und ordentlich packt und sich dabei immer wieder bewusst macht, was nötig ist, damit der POD gerade das Gurtzeug verlassen kann, hat schon viel gewonnen. Verhält man sich beim Zieh-Vorgang zusätzlich noch ruhig und neutral, begleitet die Öffnung nur, dann steht einer angenehmen Öffnung nichts mehr im Weg und das, obwohl wir innerhalb von Sekunden von fast 200 km/h abgebremst werden.

In diesem Sinne: Gute Öffnungen!

Martina Weber

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