Reicht Auswendiglernen als Qualifikation zum Fallschirmspringen?
Die Teilnahme am Theorieunterricht ist für einen Schüler nicht verpflichtend, um zur Prüfung zugelassen zu werden. „Ihm ist erlaubt, sich nur per Selbststudium der entsprechenden Lernfragen auf die Prüfung vorzubereiten“, heißt es hierzu im Ausbildungshandbuch Fallschirmsport (AHB). Zum Vergleich: für den (egal welchen!) Führerschein muss man insgesamt 14 mal 90 Minuten zum Unterricht erscheinen. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass es einen großen Unterschied macht, ob man die Antwort auf eine Frage nur kennt oder ob man sie tatsächlich versteht.
Prüfungsvorbereitung ganz ohne Unterricht?
Er ist da, der DFV Theorie Coach. Endlich. Ich habe ihn ausprobiert und muss sagen, die technische Umsetzung als Web-App gefällt mir sehr. Auch inhaltlich ist das Programm gut aufgebaut und bekommt von meiner Seite eine ganz klare Empfehlung für alle Schüler und sonstigen Interessierten.
Neben einer ebenfalls vom DFV autorisierten Android App stehen natürlich die gut 500 Fragen aus sieben Sachgebieten auf der Homepage des DFV zum Downloaden und Ausdrucken bereit. Mit all diesen Hilfsmitteln kann man dann im stillen Kämmerlein für die Theorieprüfung büffeln.
Büffeln, das heißt in diesem Fall schlicht und ergreifend: stumpfes Auswendiglernen der richtigen Antworten auf die Fragen. Ob man verstanden hat, was ein Tragflächenprofil ist, ob einem klar ist, was Streckung bedeutet, oder ob man sich ernsthaft Gedanken über Flächen- oder Formwiderstand gemacht hat, spielt dabei überhaupt keine Rolle, sofern man nur mindestens 75% der Fragen am Ende richtig beantworten kann.
Hand aufs Herz: Wer von euch ist mit einer Frage oder einer Begrifflichkeit, die er nicht verstanden hat, am nächsten Sprungwochenende zu seinem Lehrer gegangen und hat sie sich erklären lassen? Und wer hat tatsächlich zu Beginn der Ausbildung eines der empfohlenen Bücher gelesen?
„Es obliegt der Verantwortung des Ausbildungsleiters, die theoretische Prüfungsreife der Schüler festzustellen. Es wird nach wie vor als sinnvoll erachtet, den Schüler durch gezielte Unterrichte in den spezifischen Fächern auf die Prüfung vorzubereiten“, heißt es im AHB.
Keine Zeit für Unterricht?
Den meisten Schülern, die sich auf die Lizenzprüfung vorbereiten, ist das ganz recht; es soll nämlich in erster Linie schnell gehen. Man möchte nicht die Schulbank drücken. Man will den Lappen endlich haben und „frei sein“, all die Dinge zu tun, die Lizenzspringer so tun.
„Endlich“ – das heißt, wenn es (bei der AFF-Methode) gut läuft, nach 7 bis 8 Sprungtagen. Wer nimmt sich da Zeit für Theorie?
In meinem Heimatverein, in dem ich 2015 die konventionelle Ausbildung begonnen habe, wird viel Wert auf theoretischen Unterricht im Rahmen der Prüfungsvorbereitung gelegt. Ohne die Teilnahme am Unterricht in allen Sachgebieten, der im Winter (!) an mehreren Samstagen stattfindet, gibt es keine Zulassung zur Theorieprüfung. Ich fand das damals mehr lästig als nützlich und war froh darüber, dass man mir in der Sprungschule, in der ich nach ein paar Automatiksprüngen dann doch zur AFF Ausbildung gelandet war, zu gegebener Zeit nahelegte, mir den Fragenkatalog zum Lernen vorzunehmen und Bescheid zu geben, wenn ich bereit für die Prüfung sei.
Vorbereitet habe ich mich dann mit der Smartphone-App. Das Auswendiglernen der richtigen Antworten war kein Problem und die Theorieprüfung dann auch tatsächlich ein Kinderspiel.
Plötzlich wird mir klar, was ich alles nicht weiß …
Ein paar Wochen später habe ich dann – die Lizenz in der Tasche – freiwillig am Unterricht in meinem Heimatverein teilgenommen und festgestellt, was ich alles nicht wusste.
Dies war eines meiner Schlüsselerlebnisse im Fallschirmsport, die dazu geführt haben, dass ich 2017 selbst die Lehrberechtigung erworben habe.
Abspringen, einen Schirm steuern und landen ist nicht schwer. Das lernt jeder Schüler am Anfang seiner Ausbildung. Unsere Aufgabe als Lehrpersonal ist es aber auch, dem Schüler ein Bewusstsein für das, was er tut und womit, zu vermitteln. Viele Fragen ergeben sich erst im Laufe der Zeit. Da aber diese Zeit, in der sich der Schüler quasi in der Obhut seiner Lehrer befindet, durch die Etablierung der AFF-Methode sehr kurz geworden ist, seid ihr herzlich eingeladen, eure Fragen aus allen Sachgebieten über Facebook oder E-Mail dem FFX-Team zu schicken. Wir beantworten die Fragen dann für alle.
Jacqueline Gasché