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In diesem Artikel geht es mir darum, Denkanstöße zu geben, und zwar zum Thema Sprungplanung/-vorbereitung und Ablauf der einzelnen Szenarien, die vor, während und nach der Öffnung im Bezug auf die Schirmfahrt zu beachten sein sollten.

Selbstverständlich ist der Artikel kein Garant für eine 100%ige Sicherheit, aber wenn die aufgeführten Punkte IMMER auch nur ansatzweise so umgesetzt werden, dann sind wir auf der halbwegs sicheren Seite. Und dem ein oder anderen wäre bei Berücksichtigung der Inhalte dieses Artikels schon so manche blöde Situation erspart geblieben!

Denn viele „Kleinigkeiten” können durchaus „überlebenswichtig” sein. Leider werden sie aber viel zu häufig außer acht gelassen oder nicht in der richtigen Reihenfolge angewendet. Zu viele von uns beachten sie nicht richtig oder führen sie falsch aus.

Gehen wir doch mal einen Sprung in Bezug auf die Schirmfahrt durch:

Sprungplanung:

  • Aus welcher Richtung kommt der Wind und wie stark ist er?
  • Wie haben sich Windstärke und -richtung im Laufe des Sprungtages verändert?
  • Wie wird die voraussichtliche Absetzrichtung des Flugzeugs sein?
  • Wo steht die Sonne und aus welcher Richtung weht der Wind im Verhältnis zum Sonnenstand? (Orientierung nach der Öffnung, z.B für die Beachtung des Jumpruns, den „Fall der Fälle” einer Außenlandung oder nicht vorhandenem LandeT oder Windsack)
  • Wo hänge ich nach der Öffnung voraussichtlich am Schirm? Wie groß wird die Entfernung zu Landegebiet und Warteraum sein (je nach Sprungvorhaben)?
  • Wo ist mein Aufenthaltsgebiet/Warteraum demnach?
  • Wo muss ich in den Gegen- und Queranflug fliegen und in welcher Höhe möchte ich mich dort befinden?
  • Wo ist mein Punkt, an dem ich mich im Endanflug befinden möchte, um zielgenau (natürlich unter Berücksichtigung der Mitspringer) zu landen? Wie verändert sich diese Strecke bei veränderten Windverhältnissen?
  • Exit-Reihenfolge: Wen habe ich vor bzw. hinter mir (ggf. Schirmgrößen, Schirmfarben, werde ich garantiert überholt oder muss ich überholen?)
  • Beachten/Einhalten der Landerichtung und des platzspezifischen Landepatterns
  • Wie ist die Platzregel bei Null-Wind? LandeT? Windsack? Gibt der Erste die  Landerichtung vor? (Am Schirm: Wer  ist der Erste? Wissen er und die ihm Folgenden das auch?)
  • KEINE HIGH PERFORMANCE LANDUNGEN über 90° im regulären Sprungbetrieb!!!

Vor der Öffnung

Unmittelbar vor der Öffnung steht in der Regel das Tracken / die Separation (je nach Sprung-Ausführung). Diese ist obligatorisch, das wissen alle! Doch warum vernachlässigen viele diesen Teil des Sprunges? Und was hat eine vernünftige Separation mit der Schirmfahrt zu tun?

Sehr viel. Dass unser Flächenfallschirm sich während der Öffnungsphase nur in einer vertikalen Bewegung befindet, ist leider ein Irrglaube. Mit einem Flächenfallschirm bewegen wir uns während der Öffnung nämlich auch horizontal! Und bei den Kappen von heute reden wir, bei einem Höhenverlust von ca. 300m bei der Öffnung, immerhin von einer Strecke, die je nach Wingload über 60m horizontal, also vorwärts, betragen kann. Hinzu kommt noch die Zeit und demnach auch die zu addierende Strecke, die wir bräuchten, um auszuweichen. Ein Mitspringer kann sehr schnell zum Gegenspieler werden, denn auch dieser befindet sich während der Öffnung in einer Vorwärtsbewegung (auch im vorgebremsten Zustand des Schirms).

Eine sauber ausgeführte Separation verringert also das Risiko einer Kollision oder eines Close-Call deutlich. Wer unter Berücksichtigung der Höhe weit und gut tracken kann, ist ganz klar im Vorteil!

Zusätzlich IMMER durchzuführen:

  • Mitspringer-/Freiraum-Check unter, über, vor und neben mir!
  • Abwinken / wave off!

Während der Öffnungsphase

Ist der Raum um mich frei, gibt es keinen Grund, bei den modernen Flächenfallschirmen und deren Öffnungswegen, eine Schirmöffnung unter 1000m über Grund einzuleiten (sehr wenige Ausnahmen bestätigen hier natürlich die Regel).

Nach einem stabilen Pull, auf den ich hier nicht weiter eingehe, geht es in die Öffnungsphase unseres Schirms. Der Blick ist während der Öffnungs-Sequenz bzw. Streckphase der Leinen und des Füllstoßes der Kappe (ugs. „snivel”) am besten nach vorn gerichtet (Richtung Horizont), um auf eventuell drohende Kollisionen reagieren zu können. Dabei ist der Kopf aber unbedingt leicht nach hinten zwischen die Schultern zu nehmen, um ihn im Falle einer Verdrehung bis tief in die Riser hinten zu haben. Oder wie auch häufig zu sehen: Den Blick nach oben zum Schirm, aber niemals während der Öffnung über eine der beiden Schultern nach hinten schauen, um die Öffnung zu beobachten. Nur so können wir die Symmetrie der sich entfaltenden Kappe gewährleisten.

Viele Springer sind schon mal in den „Genuss” eines Togglefires gekommen, d.h. das vorzeitige Lösen einer Vorbremse während bzw. direkt nach der Öffnung. Einer der häufigsten Gründe: Während der Öffnung falsch in die Riser gegriffen! Also ein selbstgemachtes Problem, das vermieden werden kann. Das Festhalten an den Tragegurten während der Öffnung ist grundsätzlich o.k. und wird von den meisten auch so praktiziert. Wir sollten hier allerdings auf die  Position achten, an der wir in die Riser greifen. Wenn, dann möglichst über dem 3 Ringsystem, aber dennoch unter den Toggles greifen (Möglichkeit eines selbst herbeigeführten Togglefires ist hier absolut keine Seltenheit und der meist übliche „Auslöser“ einer einseitig-SELBST-gelösten Vorbremse).

Was sollten wir während der Öffnung noch beachten?

Besonders High-Performance-Kappen in der Öffnungsphase nur begleiten, nicht versuchen zu unterstützen. Nicht mit langen Armen die Öffnung begleiten, da bei einer eventuellen Verdrehung des Schirmes die Arme/Hände mit eingedreht werden könnten. Direkt nach dem Kappencheck kann am langen Arm hochgegriffen werden, um ggf. eine Richtungsänderung einzuleiten.

Fast jeder ist heutzutage mit Action Cams während der meisten Sprünge ausgerüstet. Schaut euch die Videos an und studiert euer Verhalten und eure Grifftechnik während und nach der Öffnung mal in Super-Zeitlupe. Zieht euch ggf. auch entsprechendes Ausbildungspersonal hinzu. Ihr werdet staunen, was es hier und da zu sehen gibt (von nicht verstauten Überlängen der Steuerleinen, eigens gelösten Vorbremsen bis hin zu kaputten Handschuhen nach der Öffnung).   😉

Nach der Öffnung

Nach der Öffnung führen wir zuerst einen Kappencheck durch. Danach folgt SOFORT und vor allem anderen (bis auf eventuell notwendige Ausweichmanöver): VHP.

Verkehrs-, Höhen- und Positions-Check. Diese Punkte sind genau in dieser Reihenfolge abzuarbeiten, denn sie sind nach „Überlebens”-Wichtigkeit geordnet!

1.Verkehrscheck

Kommt mir jemand entgegen oder bin ich mit jemandem auf Kollisionskurs, der mich nicht sieht, weil er gerade mit seinem Slider oder so beschäftigt ist?

Nach erfolgtem VHP-Check und der Funktionskontrolle meines Schirms sind die Ausweichregeln klar definiert und können jederzeit bei eurem Ausbildungspersonal oder im Ausbildungshandbuch (AHB) nachgelesen werden. Doch wie kann ich reagieren, wenn ich direkt nach der Öffnung mit noch vorgebremstem Schirm ausweichen muss?

Auch in diesem Zustand ist unser Hauptschirm manövrierfähig und wir können ihn durch das einseitige Herunterziehen des hinteren Haupttragegurtes steuern. Über diesen Impuls verleiten wir dem Schirm eine sehr schnelle Drehung, die sehr wenig Kraftaufwand erfordert und sehr effektiv ist, um auszuweichen und/oder sich einfach nur zum Platz zurückzudrehen oder sich gegen den Wind zu stellen.

Da man es leider immer wieder sieht, ist Folgendes dabei besonders zu betonen: ACHTUNG, DABEI NICHT IN DIE ABSETZRICHTUNG/JUMPRUN FLIEGEN!

Wingsuit-Piloten, die aufgrund ihrer eingeschränkten Bewegungsfreiheit noch nicht an ihre Tragegurte kommen, können durch harte einseitige Gewichtsverlagerung und das zusätzliche Unterstützen durch Herunterziehen der Mudflap (mit beiden Händen) die Flugrichtung beeinflussen. Dies ist natürlich nicht so effektiv wie mit einem der hinteren Haupttragegurte, kann aber hier die beste Lösung für ein schnelles Ausweichmanöver sein, oder sich ggf. erst einmal gegen den Wind stellen bzw. zurück zum Platz fliegen.

2. Höhencheck

In welcher Höhe befinde ich mich?

3. Positionscheck

An welcher Position befinde ich mich und wie groß ist die Entfernung zum Landeplatz? Erneuter Windcheck! Aus welcher Richtung kommt der Wind und wie stark ist er? Schaffe ich es zum Landeplatz oder muss ich mir rechtzeitig eine Außenlandefläche suchen?

Bequem machen / Performance

Jetzt, und auch wirklich erst jetzt, können wir über eine bessere Performance nachdenken.

Slider kollabieren – warum? 

Fast alle Slider sind heutzutage vom Hersteller auf verschiedene Weise mit einem Kollabiersystem ausgestattet. Dies hat in erster Linie den Hintergrund, dass dem Schirm mehr Vorwärtsfahrt gewährleistet wird. (Geschwindigkeit ist dein Freund, sie gibt dir Stabilität und vor allem Lift!) Hinzu kommen nicht unwesentliche Nebenerscheinungen wie geringerer Verschleiß der Leinen im unteren Teil sowie die erhebliche Reduzierung der Geräuschkulisse. Wenn der Slider nach der Öffnung erst mal unten ist, hat er seinen „Job” erledigt. Die deutsche Übersetzung ist nicht ohne Grund Öffnungsverzögerungstuch. Es ist zwar kein Muss, aber wer mit solch einem kollabierbaren Slider ausgestattet ist, sollte diese Funktion auch nutzen (nach dem VHP-Check!).

Im Anschluss daran den Slider noch über die Tragegurte zu bringen und ggf. zu fixieren, sollte je nach Erfahrungsstand gehandhabt werden. Ebenfalls sollte unsere Ausrüstung für diesen Schritt vorbereitet und von entsprechendem Fachpersonal gecheckt worden sein. Dennoch gilt hier immer: Vorsicht, hierbei wird sich gerne mal eine Vorbremse herausgezogen, also: gewusst wie!

Zu guter Letzt noch den Brustgurt öffnen bzw. lösen. Das gibt dem Schirm zusätzlich eine bessere Flug-, Gleit-, Steuer- und Stabilitätseigenschaft mit anschließendem deutlich spürbar besserem Flare. Letzter Punkt macht natürlich nur Sinn, wenn der Slider kollabiert und über die Tragegurte gebracht worden ist. Darauf komme ich später noch einmal zurück!

Während der Schirmfahrt

  • Alle 6-8 Sekunden VHP-Check.
  • Augen auf am Schirm, ständige Rundumsicht.
  • Vor jeder Drehung über 180 Grad und/oder Steilspiralen beide Richtungen checken.
  • KEINE Drehungen über 180 Grad und/oder aggresive Steilspiralen unter 500 Metern. (Wir sind in der Nähe der Landefläche, wo sich unsere Mitspringer auch befinden.)
  • Ist die Vorbremse einmal gelöst, bleiben die Toggles (bis auf eine evtl. erforderliche Notprozedur) in der Hand und werden nicht losgelassen. Ich kann alle Eventualitäten (z.B. Brustgurt lösen) auch mit den Toggles in der Hand erledigen.

Hier mal ein Beispiel, das leider sehr häufig vom Boden aus zu beobachten ist:

Die Schirme gehen auf und das Erste, was man beobachten kann ist, dass der Slider kollabiert und über die Haupttragegurte gebracht wird. Danach wird er noch fixiert und der Brustgurt wird noch schnell gelöst. Erst jetzt, nach einer Zeitspanne von ca. 5 bis 20 Sekunden (je nach Schnelligkeit des Springers), kommt der Blick nach vorn bzw. unten, und es wird festgestellt, dass der Absetzpunkt ja total schlecht war. Diese Feststellung wird dann direkt nach der Landung auch lautstark kundgetan und den Verantwortlichen zugetragen. Komisch, dass sich immer die Gleichen beschweren.

Der Absetzpunkt war in den meisten Fällen super! Wenn ich nach dem Kappencheck aber erst mal in die falsche Richtung fliege und mich mit – nennen wir es – „bequem machen“ beschäftige, dann ist es nicht verwunderlich, wenn es nicht mehr bis zurück zur Landefläche reicht. Am besten sind diejenigen, die in tiefer Bremse versuchen zum Platz zurückzukommen, weil sie denken, dass der Schirm so am weitesten fliegt.

Häufig bleibt hier dann auch eine Außenlandung nicht aus. Und wenn die bereits in diesem Artikel genannten „Denkanstöße“ der Sprungplanung vorher nicht stattgefunden haben, würde ich zu gern so manche Landung sehen wollen, und zwar am besten bei null oder viel Seitenwind auf einem Feldweg, wo rechts und links weit und breit hüfthoher Raps gewachsen ist, in dem niemand von uns gern landen möchte. WIE und vor allem WER erklärt jetzt diesen „Aspiranten“, dass sie am Ende des Tages auch noch ne Kiste Bier für alle hinstellen SOLLTEN?

Zu guter Letzt noch etwas vom Rande des Lagerfeuers, was sehr gern erzählt wird. Etwas, das zwar richtig gemeint ist, aber durchaus schon falsch gemacht wurde, genau so, wie die von mir oben eingebauten Fehler von den meisten Lesern garantiert nicht wahrgenommen wurden.

Der Brustgurt wird weder geöffnet noch gelöst, er wird gelockert, aber nur so weit, dass er nicht mehr auf Spannung ist!

Also Vorsicht bei der Wortwahl Anfängern gegenüber!

In diesem Sinne, Go 4 Hop&Pop

Tobi Scherrinsky

(Foto: Marcel Verdult)

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