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WAKE UP CALL

Tobi Scherrinsky (Foto: Marcel Verdult)

Wer ist am schnellsten, wer „kommt“ am weitesten, wer am zielgenauesten, coolsten und bei denen, die es dann noch so richtig wollen – am besten noch mit dem Kleinsten! Eine der ganz wenigen Sportarten, in der es am coolsten ist, den Kleinsten von allen zu haben – oder liege ich damit falsch?

Seit vielen Jahren passieren die meisten Unfälle bei Schirmfahrt und Landung. Wir verbringen wesentlich mehr Zeit unter unserem Schirm als im freien Fall. Auf den Exit und den Freifall bereiten wir uns und unsere Mitspringer bis ins kleinste Detail vor. Jeder weiß, was er in dieser knappen Minute zu tun und zu lassen hat. Über die zwei bis fünf Minuten, die wir am Schirm hängen, unterhalten wir uns meines Erachtens nach aber im Gegensatz dazu viel zu wenig! Auf diesen Teil bereiten wir uns und unsere Mitspringer nicht so intensiv vor. Es herrschen teilweise falsches Selbstbewusstsein, Ignoranz, manchmal Unsicherheiten und Unwissen. Aber warum? In dem Moment, in dem JEDER von uns die Schirmöffnung einleitet, beginnt die HEIßESTE Phase des Sprungs! Die Phase, in der die meisten schweren und unter Umständen sogar tödlichen Unfälle passieren.

Es gibt viele Aspekte, die man zu den Themen Schirmfahrt und Landung näher beleuchten könnte. In diesem Beitrag möchte ich mich aber eher mit dem Schirm an sich beschäftigen. Genauer gesagt: mit der Wahl der eigenen Schirmgröße, dem Downsizing generell oder anders gesagt – mit der Wahl der „Waffe“.

Denn leider lässt sich immer häufiger beobachten, dass Springer heutzutage viel schneller mit kleineren Schirmen springen. Oft sogar mit zu kleinen Schirmen für den entsprechenden Piloten. Aus Erfahrung lässt sich sagen, dass das zu schnelle Wechseln auf kleinere Kappen den Springer früher oder später überfordern wird. Und der Teufel ist, wie so häufig in unserem Sport, ein Eichhörnchen. Wenn schon Scheiße passiert, dann meist mit Schwung! Und wann? Dann, wenn wir nicht damit rechnen!

Kennen wir in diesen Situationen unseren Schirm, sein Flug- und Flareverhalten nicht genau, können Fehler dann schnell zu sehr schmerzhaften Erfahrungen führen!

Ich möchte in diesem Artikel meine Sicht der Dinge schildern und mit euch teilen, was aus meiner Erfahrung zu beachten sein sollte, wenn es um einen neuen Schirm geht.

FORTSCHRITT DER TECHNIK

Natürlich ist und wird unsere Ausrüstung immer besser. Was heute als „normal“ gilt, wurde vor einem Jahrzehnt noch als high-performance oder auch als Wahnsinn bezeichnet. Die Ausrüstung und die Materialien werden immer kleiner, schmaler und schneller und das dann auch noch mit besseren Öffnungs-, Trag-, Flugfähigkeiten und grandiosen Flare-Eigenschaften.

Doch durch diese neuen Möglichkeiten hat sich auch die Wahrnehmung verschoben, was Anfänger-, Fortgeschrittenen- und Experten-Schirme angeht. Doch was hat sich bitte von heute zu damals verändert? Egal ob es dabei um halb-/voll-elliptische oder x-braced Schirme geht? Sind die Schirme langsamer geworden, nur weil sie schon 15 Jahre und teilweise sogar länger auf dem Markt sind?

An diesen Schirmen hat sich nichts verändert! High-performance-Schirme von vor 15 Jahren sind heute immer noch High-performance-Schirme!!!!

DIE WAHL DES SCHIRMS

Die Fragen, „Wie viel Sprünge hast du?“ und „Welchen Schirm springst du?“, kennen wir alle. Und wir alle haben sie auch wahrscheinlich schon hunderte Male gehört und beantwortet. Für viele sind diese Fragen ein Indikator, um einzuschätzen, wie gut jemand ist. Grundsätzlich lässt sich, was die Schirmfahrt angeht, auch sagen, dass eine höhere Sprunganzahl mehr Erfahrung im Fliegen und Landen eines Schirms mit sich bringt. Doch Vorsicht: Viele Sprünge zu haben, bedeutet nicht gleich, ein guter Schirmpilot zu sein. Die persönliche Sprunganzahl ist definitiv kein Indikator dafür, ob ich ein guter Schirmpilot bin oder nicht. Das muss ich auch gar nicht, aber ich sollte mich hier selbst richtig einschätzen können. Und ich behaupte, es wird gefährlich, wenn NUR die beiden Faktoren Sprunganzahl und Wingload einbezogen werden.

Die richtige Schirmwahl hängt von vielen Faktoren ab. Hier nur mal ein paar, aber durchaus sehr wichtige Punkte, die jeder von uns bei der Wahl seines Hauptschirmes berücksichtigen sollte:

  • Passt mein Schirm zu meinem Erfahrungsstand und zu meinem Verständnis dafür, was dort über mir vor sich geht?
  • Bin ich sicher unter meinem aktuellen Schirm und lande ich diesen, wo und wie ich möchte?
  • Trifft dies auch für schwierige Bedingungen und Ausnahmesituationen zu?
  • Wie viele Sprünge habe ich insgesamt und vor allem in welchem zeitraum gemacht?
  • Wie viele Sprünge mache ich im Jahr und wie groß sind die Pausen dazwischen? Nach längeren Sprungpausen verlieren wir das Gefühl für den Schirm und die Einschätzung, was Referenzen zum Boden / zur Geschwindigkeit angeht.
  • es braucht immer ein paar Sprünge, um dasselbe Gefühl wiederzuerlangen
  • Welche Art von Sprüngen mache ich hauptsächlich?
  • Mit welchem Schirm bin ich bislang gesprungen? Kenne ich den Schirm zu 100% und kenne ich seine Grenzen?
  • Wie hoch liegt meine HomeDZ über NN?
  • Springe ich immer auf dem gleichen Platz oder häufig auf mir nicht bekannten Plätzen mit fremden und vielen anderen Springern zeitgleich in der Luft?
  • Mache ich auch Demosprünge?
  • Und für den Fall der Fälle: Lässt mein Beruf für den Fall einer Verletzung einen Ausfall von mind. 12 Wochen problemlos zu?

Die Frage, die sich allerdings jeder stellen sollte: Bin ich zufrieden mit meinem jetzigen Schirm, was das Öffnungs-, Flug- und Flareverhalten angeht, und fühle ich mich sicher damit?

JA? Warum willst du denn dann bitte ‘nen kleineren?

WANN KANN ICH ÜBER EINEN KLEINEREN SCHIRM NACHDENKEN?

Bin ich bereit für einen kleineren Schirm, wenn ein Freund mit gleicher Sprunganzahl sich einen kleineren Schirm gekauft hat? Bin ich bereit für einen kleineren Schirm, wenn ich oder andere meinen, dass ich das schon irgendwie gehandelt bekomme?

Gerade zu letzterem Punkt sei gesagt: Ratschläge werden in unserem Sport sehr gerne gegeben und angenommen. Viele vergessen dabei aber, dass jeder von uns eine andere Wahrnehmung hat und dass Eigenschaften, die für den einen normal sind, für den anderen extrem sein können! Von daher zwei Punkte vorab: Frage NUR sehr erfahrene Springer nach ihrer Meinung / Einschätzung über dein Können, was dein Landeverhalten angeht, und denk andererseits in Zukunft auch darüber nach, ob du der Richtige bist, um solch eine Einschätzung geben zu können!

Letztendlich müssen wir aber selbst entscheiden, ob wir einen kleineren Schirm springen wollen oder nicht. Und dazu sollten wir uns mindestens folgende zwei Fragen selbst und vor allem ehrlich beantworten:

  • Beherrsche ich meinen Schirm und die Landungen bei null, Cross- oder leichtem Rückenwind (auch auf Asphalt) so gut, dass ich diese auch mit einem kleineren Schirm problemlos meistern würde?
  • Treffe ich unter ALLEN Windbedingungen (null, wenig, viel und mächtig viel Wind) bei JEDER Landung zielgenau eine Fläche, die in etwa der Größe eines Tennisplatzes entspricht? 

Bereit für einen kleineren Schirm? TIPP zum Downsizing:

Wenn man einen kleineren Schirm springen möchte, muss man nicht sofort den Schritt auf die gewünschte Größe gehen. Das Downsizing lässt sich auch schrittweise mit dem eigenen Schirm und zusätzlichem Gewicht (Blei) simulieren. Springt man seinen eigenen Schirm erst einmal bei null oder wenig Wind mit 8, 10, 12 kg Blei, bekommt man langsam ein Gefühl für die höhere Wingload, die höhere Geschwindigkeit und die veränderten Flugeigenschaften und steigt nicht schlagartig um.

Wahl der Reservegröße:

Auch über die Wahl der Reserve sollte man nicht weniger nachdenken! Einen Schirm sicher zu fliegen und vor allem auch dort zu landen, wo man möchte, stellt heutzutage für viele schon mit ihrem Hauptschirm eine Herausforderung dar. Dies dann auch noch auf möglicherweise unbekanntem Terrain (ohne Windsack oder Lande-T) verletzungsfrei mit einem Schirm zu bewältigen, den man nicht kennt und der ein wesentlich anderes Flug- und Flareverhalten aufweist, erfordert sehr viel Erfahrung. Gerade in dieser Ausnahmesituation, in der wir alle sowieso schon deutlich mehr Stress ausgesetzt sind als gewöhnlich.Und für ein in unserem Sport nicht so abwegiges Worst-Case-Szenario, wie z.B. einer bewusstlosen Außenlandung auf Asphalt, sollte sich jeder selbst die Frage beantworten, wie viel Stoff er in diesem Fall gerne über sich hätte!

Eine Frage, die sich jeder Arbeitsspringer, ganz egal ob AFF-Lehrer, Tandem-Videot oder Ähnliches, selbst einmal beantworten sollte: Warum wird bei der Exit-Reihenfolge neben der Art des Sprungs und der Öffnungshöhe auch die Schirmgröße berücksichtigt? Und warum wird bei Arbeitssprüngen überhaupt eine Kappe mit einer Wingload gesprungen die jenseits der 2.0 liegt? Ich finde hier sollte Man(n) sich allen Ernstes selbst fragen, ob der Job mit der richtigen Ausrüstung erledigt wird.

Oder was würden die Frauen jetzt dazu sagen: Es kommt nicht auf die Größe an, sondern wie Man(n) damit umgehen kann. Zu guter letzt noch ein paar wahre Worte von Max Manow:

„Grundlegende Kenntnisse werden über viele Sprünge und viel Zeit im Sport erworben. Es gibt keine Abkürzungen. Jeder zu große Schritt nach vorne wirft dich um drei Schritte zurück.“

„Alles, was schnell wächst, stirbt auch schnell.“

„Wenn ich heute meine Petra springe, profitiere ich von den Sprüngen, die ich auf meiner Sabre2 150 gemacht habe, irgendwann kommt der eine Sprung, wo deine gesamte Erfahrung gebraucht wird. Wer in dieser Situation nicht auf ein breites Fundament an Können und Wissen zurückgreifen kann, hat schlechte Karten.“

„Geduld, Geduld!“

In diesem Sinne, Go 4 Hop & Pop

Tobi Scherrinsky

MAX MANOW

Foto: Redbull Skydive Team

Springerischer Lebenslauf

Jahre im Sport: 12
Sprünge Gesamt: 6000
Sprünge in den letzten 3 Jahren: 2500
Competitions Gesamt: 16
Trainingssprünge: 9000
Schuelerschirm 240 42 Sprünge
Spark 170 150 Sprünge
Sabre2 150 500 Sprünge
Vengeance 120 / Stiletto 120 / Crossfire 119 400 Sprünge
JFX 99 200 Sprünge
JVX 96 1000 Sprünge
Velocity 84 200 Sprünge
JVX 74 700 Sprünge
Petra 69 900 Sprünge
Petra 62 200 Sprünge

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