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Lernmaschine Tunnel, ein Erfahrungsbericht

Thorsten Rühl Foto: Max Heidenfelder

Die Saison ist zu Ende und die sprungfreie Zeit beginnt. Die Lernkurve der vergangenen Monate war wieder mal flach und ihr denkt an einen Tunnelbesuch. Doch ihr steht vor den Fragen: Was kostet es und was bekomme ich dafür? Wohin und zu wem soll ich gehen? Was bringt es am Ende und was muss ich beachten?

Als ich vor Jahren den Entschluss gefasst hatte, in den Tunnel zu gehen, stand ich vor denselben Fragen. Mittlerweile habe ich den Gegenwert eines kleinen Einfamilienhauses in den Tunnel gesteckt und möchte gern meine Eindrücke und Erfahrungen mit euch teilen.

Was kostet es und was bekomme ich dafür?

Sehr oft sehe ich große Augen, wenn ich erzähle, dass die Stunde Coaching hierzulande etwa 750 EUR kostet und dass es mit einer Stunde bei Weitem nicht getan ist. Wir haben ein teures Hobby, und deshalb ist die Frage, was bekommen wir für unser Geld und ob es uns das wert ist, besser gestellt.

Machen wir einen naiven Vergleich mit gecoachten Sprüngen an der DropZone. Ein durchschnittlicher Freefly-Sprung gibt uns etwa eine Minute Freifallzeit am Himmel. Kostenpunkt ca. 27 EUR. Dazu kommt das zweite Ticket für den Coach und meist eine zusätzliche Gebühr pro Sprung von ca. 10 EUR. Wir sind jetzt bei 64 EUR pro Minute Freifallzeit.

Besonders am Anfang wird die Effektivität des Coachings oft reduziert, weil in der Luft erst einmal die Rahmenbedingungen für das Coaching geschaffen werden müssen: Der Coach hat euch eingefangen, ihr befindet euch in einer stabilen Freifallposition und ihr seid aufnahmebereit. Vom Briefing bis zum Debrief dauert es mit Start, Sprung, Landung und Abrödeln ca. 30 Minuten. Wenn alles vor Ort ist für ein ordentliches Debrief und man es anschließend in die nächste verfügbare Load schafft, kann man 45 Minuten später noch einmal versuchen, es besser zu machen.

Damit schafft ihr es an einem ganzen Tag unter idealen Bedingungen auf max. 8 gecoachte Freifallminuten für 512 EUR.

Wie ist das im Tunnel?

Für 512 EUR bucht man bei der oben erwähnten Rate 41 Minuten Freifallsimulation! Diese 41 Minuten fliegt man nicht am Stück, sondern in Runden von 2 bis 3 Minuten. Seid ihr 2 Minuten geflogen, rotieren erst einmal ein paar andere Flieger in den Windkanal, was euch eine Pause von ca. 10 Minuten verschafft.

In dieser Zeit könnt ihr durchatmen und euch den letzten Flug aus 2 Perspektiven am Monitor anschauen. Ihr erkennt eure Fehler meist selbst. Der Coach hat euch während des Fluges schon darauf aufmerksam gemacht, doch am Monitor wird es noch ein bisschen klarer. Ihr merkt euch ein, zwei Punkte, die ihr in der nächsten Runde besser machen wollt, und habt sie noch vor Augen, wenn ihr wieder in die Röhre steigt.

Ganz allgemein bietet der Tunnel eine viel stabilere Lernumgebung zum Fokussieren auf das Wesentliche. Es gibt keinen Exit und ihr könnt dem Coach auch nicht entkommen. Damit geht keine Zeit verloren und es kommt auch kein Zeitdruck auf.

Nachdem ihr die Nervosität der ersten Minuten überstanden habt, wisst ihr, was euch in der Röhre erwartet. Klar, es ist etwas Neues und es dauert ein paar Minuten, bis ihr euch zurechtfindet. Das geht jedoch schnell. Hinzu kommt, dass ihr ganz bei der Sache seid, weil euer Leben nicht in Gefahr ist. Mit zwei Minuten am Stück hat der Coach nicht nur Zeit, euch auf Fehler hinzuweisen, er korrigiert euch mit Handzeichen und zeigt euch verschiedene Übungen im Tunnel, die ihr direkt nachfliegt.

Durch das Regulieren der Windgeschwindigkeit entstehen noch einmal ganz andere Möglichkeiten, um Lernziele besser zu verfolgen. Der Tunnel ist wetterunabhängig. 41 Minuten gebucht, heißt 41 Minuten fliegen.

1:1 vom Tunnel in den Himmel?

Ihr habt den ganzen Winter trainiert, die Saison geht los, ihr wollt wissen, ob sich die Stunden im Tunnel ausgezahlt haben. Ihr habt erhebliche Fortschritte gemacht und viel Geld investiert. Im Sitzen sollten Griffe jetzt kein Problem mehr sein. Das könnt ihr mittlerweile mit geschlossenen Augen im Tunnel. Mit dieser Erwartungshaltung wird man oft enttäuscht. Es dauert ein bisschen, bis ihr die Verbindung macht von Tunnel und Himmel. Im Tunnel spürt ihr in der Regel den Wind besser und ihr habt euch daran gewöhnt, damit zu arbeiten. Ihr seid komplett entspannt und fokussiert.

In der Luft geht es jetzt wieder um euer Überleben, ein Teil eurer Gehirnkapazität ist damit gebunden. Exit! Ihr habt eure Fallgeschwindigkeit der Gruppe angepasst, sie ist langsamer als die simulierte im Tunnel und der Winddruck an euren Tragflächen weniger deutlich spürbar. Euer Rig deckt euren Rücken ab, und ihr könnt den Wind dort nicht mehr wie gewohnt spüren, es rutscht vielleicht sogar und arbeitet gegen euch.

Was ist passiert? Alles umsonst?

Nein! Natürlich nicht. Ihr habt im Tunnel gelernt, den Wind an euren Armen, Beinen, Brust, am Kopf und am Rücken zu spüren und damit zu arbeiten. Es braucht Zeit, bis ihr euch an die anderen Umstände im Himmel gewöhnt habt, es ist jedoch dasselbe Spiel wie im Tunnel. Habt ihr euch erst mal wieder gefunden, lässt sich Gelerntes aus dem Tunnel recht schnell in der Luft umsetzen. Dieses Wiederzurechtfinden kann schon mal 20 Sprünge dauern. Also keine Panik!

Wohin und zu wem sollte man gehen?

Ich erzähle euch, wie ich es angegangen bin – und damit, wie man es nicht machen sollte.

Ich hatte genug von der Stagnation der letzten zwei Jahre und wollte endlich besser werden. Der einzige Weg, den ich sah, war: Tunnelzeit. Also folgte ich dem Rat eines Freundes, es in den USA zu versuchen, dort gäbe es die besten Coaches. Ich wollte das Maximum rausholen. Also, zu den Besten!

Ein paar Tage später reichte ich anderthalb Wochen Urlaub ein und buchte 8 Stunden bei Jason Peters in Eloy, Arizona, einem Flieger aus der Weltelite und ausgewiesenem Top Coach.

8 Stunden Tunnel und hier und da ein paar Tage zum Springen sollten ja wohl reichen, um mein sowieso schon recht stabiles Sitfly zu perfektionieren und endlich stabil HeadDown zu fliegen. Da lag ich ganz schön falsch! Obwohl der Urlaub eine super Erfahrung war, blieb ich fliegerisch weit hinter meinen Erwartungen zurück.

Was war passiert?

Ohne darüber nachzudenken, hatte ich mir ein Monsterprogramm zusammengeschustert. Das führte zu einem sehr komprimierten Zeitplan. Ich flog mehrere Tage hintereinander, mindestens eine Stunde am Tag und das auch ohne größere Pausen.

Ich lernte dabei folgende Dinge:

Trotz der idealen Bedingungen im Tunnel gibt es keine Garantie dafür, dass ihr auch wirklich umsetzen könnt, was der Coach euch zu vermitteln versucht.

Nicht jeder Coach passt zu jedem Schüler, auch wenn er noch so gut ist! Er muss in der Lage sein, dem Schüler klarzumachen, wie die richtige Körperposition aussieht und wie sie sich anfühlt. Die Kommunikation ist sehr wichtig: die nonverbale im Tunnel wie die verbale beim Debrief.

Manchmal ist weniger mehr. Eine Stunde Tunnel am Tag mehrere Tage hintereinander waren eindeutig zu viel. Neben der körperlichen Anstrengung führte der massive Overload an Eindrücken zu einer absoluten Lernblockade. Ich konnte nichts Neues mehr aufnehmen und war frustriert. Einige Stunden waren daher einfach verschenkt.

Heute bin ich überzeugt, dass 45 Minuten am Tag in gut verdaubaren Häppchen mit angemessenen Pausen wesentlich mehr gebracht hätten. Alle zwei Tage und am Wochenende frei, um wieder runterzukommen.

Abschließend noch ein paar Tipps zum Tunnel-Erstbesuch.

Redet mit Leuten, die euch kennen und die bereits einige Erfahrung im Tunnel haben. Sie können euch am ehesten raten, welcher Coach gut zu euch passt. Kennt ihr niemanden, schaut auf die Homepage eures Wahltunnels und fragt in einschlägigen Foren nach Erfahrungswerten.

Steht das Ziel fest, bucht erst einmal 30 Minuten. Die Zeit reicht, um sich im Tunnel zurechtzufinden und zu erkennen, ob ihr mit dem Coach klarkommt oder nicht. Fühlt ihr euch gut aufgehoben und wollt gern ein bisschen mehr Zeit buchen, wartet nicht zu lange. Zwei Sessions in 6 Wochen bringen wesentlich mehr als zwei Sessions in 6 Monaten.

Ich würde keine Session unter 30 Minuten buchen, es dauert immer ein paar Minuten, um warm zu werden. Wenn ihr etwas Neues anfangt, bleibt genug Zeit, um ein Gefühl für die neue Position zu bekommen, damit beim nächsten Mal nicht alles wieder weg ist und ihr von vorne anfangt.

Wollt ihr einen wirklichen Fortschritt sehen, rate ich, etwa 2-3 Stunden einzuplanen. Am besten so gelegt, dass die letzten beiden Sessions vielleicht schon in der neuen Saison stattfinden. So habt ihr die Möglichkeit, euch im Tunnel eine Zeit lang weiterzuentwickeln und es in den Himmel zu bringen, nachdem ihr im neu Erlernten ein bisschen sattelfester seid. Mit den Erfahrungen im Himmel geht es dann noch mal in den Tunnel. Das hat mir immer sehr weitergeholfen.

Thorsten Rühl

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